Coco - Ausbildung zur 0
rundeten das Interieur in diesem Raum, der obendrein noch kahle und kalte Wände hatte, ab. Sie schob das Tablett vollständig beiseite. An Essen konnte sie jetzt nicht denken. Die Angst, nicht zu wissen, was mit ihr geschehen war, wo sie jetzt war und was sie morgen erwarten würde, schnürte ihr die Kehle zu. Der Duft der Suppe, den sie unter anderen Umständen sicherlich als angenehm empfunden hätte, verursachte ihr zudem Übelkeit.
Langsam rutschte sie von ihrem Bett herunter. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Die Wäsche war so grob, dass sie auf der nackten Haut scheuerte. Nackte Haut? Coco erschrak und sah an sich herunter. Sie war splitternackt und hatte es nicht einmal bemerkt! Plötzlich fröstelte sie. Langsam griff sie nach der Bettdecke und legte sie sich umständlich um die Schultern. Wieder besah sie sich den Raum, in dem sie gefangen gehalten wurde. So musste es sein: Sie war eine Gefangene! Aber warum? Dieser Gedanke fraß sich in ihr Hirn und verstärkte die Kopfschmerzen noch mehr.
„Aufstehen“, dachte sie, „du musst dich umsehen!“ Sie stützte sich auf der Bettkante ab und versuchte sich, so steif wie irgend möglich, zu erheben. Nur keine unbedachte Bewegung, die ihrem Kopf nur wieder Schmerzen verursachen würde! Für einen Moment schloss sie die Augen, sammelte den restlichen Mut, der ihr verblieben war, und schob sich hoch. Coco schwankte und sie hielt sich am Kopfteil des Bettes fest. Mit der anderen Hand fuhr sie sich über die schmerzenden Augen. Das Aufstehen hatte sie mehr angestrengt, als sie erwartet hatte, und ihr Kreislauf spielte nicht so mit, wie er sollte. Sie atmete schwer und versuchte, sich auf den Beinen zu halten. Dann tat sie einen Schritt zur Tür. Es kam ihr endlos lang vor, diese vielleicht drei Schritte zur Tür zu machen.
„Abgeschlossen“, dachte sie, als sie dagegenstieß. „Was hast du dir gedacht, Coco? Dass du hier rein- und rausspazieren kannst? Mach dich nicht lächerlich!“
Sie drehte sich herum, und nun bot sich ihr ein vollkommen anderes, noch viel scheußlicheres Bild von ihrem Kerker. Ja, Kerker. Dieser Begriff traf es schon ganz gut. An den Wänden waren Ösen befestigt worden, an denen Handfesseln baumelten. Daneben hingen diverses Schlagwerkzeug sowie einige Seile und Ketten. Ja, tatsächlich: Dort hingen schwere, dicke Eisenketten! Coco konnte sich ausmalen, wozu diese wohl gedacht waren. Tränen stiegen ihr in die Augen, und unter Mühen durchquerte sie den Raum erneut. Langsam ging sie auf das Fenster zu, und als sie es endlich erreicht hatte, hielt sie sich an den Gitterstäben fest und sah hinaus.
Ein Park lag zu ihren Füßen. Eine wunderschöne Parkanlage. Keine Straße, nein: ein Park. Coco schluchzte hemmungslos. Keine Möglichkeit, zu entkommen. Nicht ein kleiner Ausweg. Selbst wenn sie aus diesem Verlies fliehen konnte, würde sie nicht weit kommen. Die Grünanlage war ein großer Park, und an ihrer Begrenzung standen hohe, sehr alte Bäume, die einen natürlichen Zaun bildeten. Ihr wurde schwindlig. Mit letzter Kraft schleppte sie sich zum Bett zurück, setzte sich darauf, nahm das Tablett und stellte es mit angewidertem Blick auf den Boden. Schluchzend streckte sie sich auf dem Lager aus und versuchte, sich mit der Decke zu wärmen. Coco zog die Beine an und legte sich das Oberbett über den Kopf. Leise weinend schlief sie ein.
Der Morgen begann mit einer sanften Stimme und einem Lächeln. Beinahe vergaß Coco den dumpfen Schmerz in ihrem Kopf und wollte sich genüsslich in ihrem Bett rekeln. Doch das rauhe Bettzeug holte sie schnell und grausam aus ihren wohligen Gedanken heraus. Sie zwinkerte gegen das grelle Licht, das ihr aus dem Fenster entgegenschien, und wandte den Kopf kurz zur Seite.
„Du musst dich beeilen“, sagte die sanfte Stimme einer Frau, und Coco drehte sich wieder zurück.
„Warum?“ Vollkommen verwirrt ergriff sie die gereichte Hand und ließ sich aufhelfen.
„Du wirst heute vorbereitet …“ Coco sah die junge Frau vor sich an, und dieser Anblick schnürte ihr die Kehle zu. Sie trug ein breites metallenes Halsband, an dessen Front – ungefähr in der Höhe ihrer Stimmbänder – eine Öse befestigt war. Durch diese war eine leichte Metallkette gezogen worden, die wiederum an den Handgelenken befestigt waren und der Fremden gerade so viel Bewegungsfreiheit ließen, dass sie Coco helfen konnte. Das Kleid, das die Fremde trug, erinnerte Coco an etwas. Doch ihr
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