Coco - Ausbildung zur 0
sie sich jetzt daran erinnerte, zauberte ihr ein trauriges Lächeln auf die Lippen.
Die Tür wurde geöffnet, und zwei mit schwarzen Masken vermummte Personen kamen herein, lösten die Fesseln an Cocos Handgelenken und zogen sie auf die Füße. Eine Hand in ihrem Rücken löste den Stoff des Kleides, und er fiel herunter und bedeckte ihren malträtierten Hintern. Mit gesenktem Haupt ließ sie es geschehen, dass man ihr ein breites Halsband mit einer Öse daran umlegte. Es klackte laut, als es geschlossen wurde, und es knirschte fürchterlich, als ein Karabiner an der Öse befestigt wurde, an dem eine Lederleine befestigt war. So ausstaffiert wurde sie aus dem Raum geführt.
„Wage es nicht, hier jemandem in die Augen zu sehen!“, hörte sie die Person rechts von sich sagen. Sie nickte – zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Coco hatte verstanden. Sie wusste jetzt, wo sie war: in einer perfekten Kopie von Roissy! Es gab nichts, was sie tun konnte. Nichts, was sie würde retten können. Nicht einmal Xavier. Sie fühlte einen Stich, als sich sein Name in ihre Erinnerung zurückmeldete. Es schmerzte beinahe mehr als ihre Kopfschmerzen und der brennende Hintern, als ihr bewusst wurde, dass sie in den letzten Stunden nicht einmal an ihn gedacht hatte. Dass sie anscheinend die Hoffnung bereits aufgegeben hatte.
Coco schlich flankiert von den beiden dunklen Gestalten die langen Flure in diesem Gebäude entlang. Ab und an begegneten ihnen Frauen, die genauso gekleidet waren wie sie. Doch im Gegensatz zu ihr bewegten sie sich verhältnismäßig frei. Coco versuchte immer wieder, einen Blick auf die Gesichter der anderen Frauen zu erhaschen. Nach ein paar Begegnungen ließ sie jedoch davon ab, denn alle trugen die gleiche Trauer und denselben Schmerz in ihren Gesichtern wie sie selbst. Hoffnungslosigkeit schien hier an der Tagesordnung zu sein.
Die Vermummten blieben vor einer Tür stehen und Coco einen Schritt hinter ihnen.
„Du gehst da jetzt rein“, wandte sich einer der Maskierten an sie, „und stellst dich vor den Tisch! Wage es nicht, dich woanders hinzustellen!“
Er öffnete die Tür, entfernte den Karabiner von ihrem Halsband und schob sie in den Raum. Mit einem leisen Klacken fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
24
Der ermittelnde Staatsanwalt, welcher bereits jahrzehntelang im Dienst war und schon viel gesehen hatte, legte den Bericht beiseite und übergab sich in seinen Papierkorb. Die 150 Seiten kalte Informationen, die er gerade beiseitegelegt hatte, überstiegen seine Vorstellungskraft. „Monster“, dachte er, „kranke, wahnsinnige Monster!“ Er war blass und konnte seinen Ekel über das, was er da zu lesen bekommen hatte, keine Sekunde länger unterdrücken. Der Beamte, der ihm gegenübersaß, wandte seinen Blick respektvoll zur Seite. Ihm war es während der Verhöre der letzten Wochen und Monate nicht anders gegangen. Auch er hatte schon in die Abgründe menschlicher Seelen gesehen. Wusste, wozu kranke Geister fähig waren. Aber das … das hatte seine Vorstellungskraft überfordert.
In Fakten summierten sich die Vergehen in Entführungen, Körperverletzung, Menschenhandel, Freiheitsentzug und in mehrfachen Vergewaltigungen – und das Ganze dann zehnfach. Aber ein Fall war besonders tragisch und schlimm. Stellte man sich diese Fakten vor, dann hatten sie eine junge, rothaarige, beinahe aristokratisch wirkende Frau nackt auf dem Boden eines Kaminzimmers in einem Schloss in der Nähe der Loire vorgefunden. Ihr Körper wies Hämatome und tiefe Schnittwunden auf. Sämtliche Körperöffnungen waren geschunden und verletzt worden. Auf welche Art, hatte die Frau mit zitternder Stimme beschrieben, aber keiner der Zuhörer konnte es fassen. Ungläubig hatte der Staatsanwalt ihr zugehört. Hatte gehört, wie sie erzählte, dass man sich auf ihr entleert hatte, dass man sie gleichzeitig penetrierte, um sie dann in ihrem Elend liegen zu lassen.
Wie ein einzelner Mensch solche Qualen überleben konnte, würde ihm immer unbegreiflich bleiben. Der Beamte konnte seinem Vorgesetzten ansehen, dass er ähnlich dachte. Als wäre es nicht genug, diese eine Frau so misshandelt vorgefunden zu haben, hatte das Sonderkommando deren zehn befreit, die alle Ähnliches erlebt hatten.
„Ich hätte große Lust, dieses Schloss dem Erdboden gleichzumachen“, sagte der Staatsanwalt beherrscht, und der Beamte nickte.
Xavier hatte ihr angewidert zugehört. Leise hatte sie von dem erzählt, was sie während
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