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Coco Chanel & Igor Strawinsky

Titel: Coco Chanel & Igor Strawinsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Greenhalgh
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er an einem der herabhängenden Fäden. Die Wolle verheddert sich rettungslos.
    »Es hat keinen Sinn«, sagt er. Er legt das völlig verknotete
Gebilde zur Seite und streckt die Hand nach ihr aus. Seine Finger streichen sacht über ihre Lippen, dann wandern sie zurück über ihre Wangen. »Es tut mir leid wegen neulich.«
    »Schon in Ordnung«, sagt sie mit abgewandtem Blick.
    »Ich war müde.«
    Sie ist nicht bereit, ihm so schnell zu verzeihen, sie will mehr. »Das war ich auch.«
    »Ich konnte nicht mehr klar denken.«
    »Offensichtlich.«
    »Du weißt, dass es Jekaterina nicht gut geht.«
    Bei diesem erneuten Verweis auf seine Frau schiebt Coco seine Hand von ihrem Gesicht. Sie findet seine Entschuldigung unbeholfen. »Ich will jetzt nicht darüber reden, danke.«
    »Aber du bist die Frau, mit der ich zusammensein will«, fleht er.
    »Dann beweise es endlich!«, faucht sie ihn an.
    »Was schlägst du denn vor?«
    »Du machst es mir nicht gerade leicht, Igor«, entgegnet sie gereizt.
    »Was man zu leicht haben kann, ist oft nichts wert.«
    »Und die schwierigen Dinge sind die Mühe nicht immer wert.«
    »Aber manchmal schon«, beharrt er. Er streckt die Hand nach ihr aus, und diesmal klingt seine Stimme entschlossener. »Ich bin es wert!«
    Er spürt, dass sie eine Geste von ihm erwartet, eine mutige Geste, aber gleichzeitig auch ein Zeichen der Demut. Unvermittelt lässt er sich auf den Boden sinken und legt sich flach auf den Rücken. Er zieht sein Hemd bis zur Brust hoch, spannt die Muskeln an und fordert sie auf, sich auf seinen Bauch zu stellen. »Komm schon.«
    »Sei nicht albern.«

    »Das ist nicht albern. Na los.«
    Sie erkennt, dass das seine Art ist, seinen Fehler wiedergutzumachen, sein Weg, ihr Vertrauen wiederzugewinnen, aber sie sieht auch, dass er sich nur scheinbar erniedrigt und in Wahrheit mit seiner Stärke prahlt.
    »Meinetwegen«, sagt sie in einem Ton, der ihm deutlich machen soll, dass sie nur nachgibt, um ihm seinen Willen zu lassen.
    Sie streift ihre Schuhe ab und stellt ihre bestrumpften Füße direkt auf sein Zwerchfell. Sie schwankt kurz. Er trägt ihr Gewicht mehrere Sekunden, ohne mit der Wimper zu zucken. Sein Gesicht ist vor Konzentration angespannt. Unwillkürlich muss sie lächeln. Sie steigt von ihm herab, aber bevor er sein Hemd wieder herunterziehen kann, greift sie nach einer Stricknadel, die in einem Wollknäuel steckt. Beunruhigt sieht er zu ihr auf.
    »So leicht kommst du mir nicht davon«, sagt sie.
    »Was hast du vor?«
    »Ich verpasse dir das Zeichen der Coco!«
    In der gleichen Pose wie Douglas Fairbanks kratzt sie mit der Nadel über seinen nackten Bauch und ritzt flink ein Monogramm aus ihren Initialen in seine Haut: zwei große, ineinander verschlungene Cs.
    »Du gehörst mir«, sagt sie, zieht die Stricknadel nach oben und folgt dem Saum seines Hemds, bis die Spitze auf seinen Hals zeigt. »Hast du verstanden? Das alles gehört mir!«, fährt sie in leisem Singsang, aber mit einem ernsten Unterton in der Stimme fort. »Und ich will es mit nie-man-dem teilen.« Unvermittelt zieht sie die Nadel wieder nach unten und versetzt ihm einem vorwurfsvollen Stich in die Leistengegend.
    »Verstanden?«
    Er ist sich darüber im Klaren, dass sie ihn in ihrer Gewalt
hat, und diese Tatsache erfüllt ihn mit einer leisen Panik. Doch die Panik hat auch eine süße Seite. Indem er sich ihrer Herrschaft unterwirft, spürt er die Herausforderung des Sklaven, seinem Herrn zu gefallen, die Erregung einer willentlichen Unterwerfung, das erniedrigende Gefühl, die Schuhe einer Frau lecken zu müssen, um dann plötzlich zu entdecken, dass sie mit Honig überzogen sind.
    »Verstanden.« Er schluckt.
     
    An den darauffolgenden Tagen begleitet er Coco nachmittags nach Paris. Während sie in ihrem Laden arbeitet, schlendert er durch die Hauptstadt. Er genießt die pulsierende Energie der Stadt, ihre sternförmige Symmetrie, ihre breiten Prachtstraßen und ihre Brücken, die sich wie die Bünde einer schmelzenden Gitarre über den Fluss spannen. Er liebt die allgegenwärtigen Birken mit ihren milchig weißen Stämmen und ihren Blättern, die das Sonnenlicht einfangen und sprenkelige Schatten auf den Boden werfen. Außerdem mag er die prunkvollen Parkanlagen, ihre schamlose Lust an der Zurschaustellung. Frankreich mag zwar dem Namen nach eine Republik sein, denkt er, aber in der Hauptstadt kündet alles noch lautstark von Monarchie: ihre Triumphbögen und Türme, ihre Denkmäler und Gräber,

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