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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Albin
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sie kicherte leise – »war vor der Geschlechtertrennung auch schon so.«
    »Mir war gar nicht bewusst, dass es ein Vor und ein Nach der Trennung gibt«, sagte ich und kam mir sehr klein vor unter ihrem weisen Blick.
    »Schon ehe es die Menschheit gab, existierte für alles ein Davor und ein Danach«, sagte sie mit einem Zucken um die Mundwinkel. »Und irgendwann wird es auch ein Nach-den-Menschen geben. Doch ja, als ich ein Mädchen war, damals haben wir zusammengelebt – Mädchen und Jungen. Keine getrennten Bezirke.«
    »Kanntest du Großvater schon, bevor … « Ich sprach mit gedämpfter Stimme und brachte die Frage nicht zu Ende. Über Jungs zu reden, war schon seltsam genug.
    »Er wuchs ein Haus weiter auf«, erzählte sie. Dabei riss sie die Augen in gespieltem Entsetzen auf. »Ich glaube, damals war es einfacher, die Voraussetzungen für eine Heirat zu erfüllen. Mädchen mussten keine Wildfremden heiraten.«
    »Aber die Reinheitsvorschriften … « Ich konnte den Gedanken nicht weiterdenken. Es war zu peinlich.
    »Ach ja, die«, sagte sie mit einem Zwinkern. »Die konnte man nicht so leicht einhalten.«
    Ich habe sie nicht gefragt, ob sie sie eingehalten hat. Die Frage erschien mir zu persönlich, selbst für meine Großmutter – außerdem hatte mich ihr Zwinkern verlegen gemacht. »Aber Mama und Papa hatten ein Heiratsprofil, oder?«
    »Ja, unsere Kinder waren die erste getrennte Generation«, sagte sie, und in ihrem Ton schwang leises Bedauern.
    »Aber sie haben sich geliebt, als sie geheiratet haben«, tröstete ich sie, weil ich die Traurigkeit in ihrer Stimme missverstand. »Deshalb macht es nichts.«
    »Ja, sie lieben sich«, sagte sie leise, und plötzlich erfüllte mich ein Gefühl von Frieden. An jenem Tag stellte ich ihr keine weiteren Fragen mehr. Erst jetzt bereue ich es, mich damit auch um weitere Antworten gebracht zu haben.
    »Wo wurdest du in der Akademie eingestuft?« Die Stimme des Arztes dringt durch meine Erinnerung, und mir fällt auf, dass ich seine letzten Fragen beantwortet habe, ohne hingehört zu haben. Verdammtes mentales Reizmittel!
    »Ich wurde im oberen Viertel eingestuft.«
    »Wurdest du oft zurechtgewiesen?«, fragt er.
    »Ihr habt doch meine Akte, also solltet ihr das wissen«, sage ich und unterdrücke den Impuls, den Kartografen wegzustoßen.
    »Wir untersuchen, wie dein Gehirn die einzelnen Fragen bearbeitet und beantwortet«, ruft er mir ins Gedächtnis.
    Später, als er mich über meinen Lehrer im fünften Schuljahr ausfragt, wird mir langweilig auf der unbequemen Liege. Von der unnatürlichen Haltung verkrampfen sich meine Rückenmuskeln, und der Laser treibt mir Tränen in die Augen. Ich gebe rasch Antworten und versuche, wach zu bleiben, denn ich bin überzeugt, dass sie sich die pikantesten Fragen aufheben, bis ich schlafe.
    »Adelice«, fährt der Arzt fort, »wann hast du herausgefunden, dass du weben kannst?«
    »Bei der Prüfung, als ich an dem Webstuhl gearbeitet habe.«
    Er zögert, und ich beiße mir auf die Lippe. Was vermag diese Maschine ihnen alles zu offenbaren?
    »Davor hast du niemals Anzeichen für ein derartiges Talent gezeigt?«
    »Mir stand kein Webstuhl zur Verfügung.«
    »Hmmm.« Er grummelt etwas Unverständliches.
    »Und deine Schwester Amie, hat sie Talent gezeigt?«
    Ich kralle mich an den Rahmen der Metallliege. »Nein.«
    »Okay«, sagt der Arzt. »Dann reden wir über deine Zeit im Konvent. Welches Gericht aus dem Essensgenerator ist dein Lieblingsessen?«
    Seufzend entkrampfe ich meine Finger und gehe wieder dazu über, die Fragen nahezu automatisch zu beantworten. Er fragt nach meinen Kleidern, wo ich arbeite, welche Pflichten ich habe und welche davon mich besonders belasten. Maela erwähnt er nicht, sodass mein Blutdruck normal bleibt.
    »Danke, Adelice. Schwester Renni kommt gleich rein, um dich vom Kartografen und der Infusion zu befreien«, sagt er in meinem Ohr.
    Ich spüre, wie Schwester Renni das Messgerät am Handgelenk verstellt und die Nadel aus meinem Arm zieht. Ich warte eine gewisse Zeit, doch die Haube hebt sich nicht von meinem Kopf. Es kostet mich einiges an Beherrschung, sie nicht anzuschreien, dass sie das Ding wegmachen soll.
    »Können Sie das jetzt bitte entfernen?«, frage ich.
    »Einen Augenblick«, murmelt sie.
    »Adelice«, meldet sich der Arzt wieder über den Komhörer. »Es tut mir leid, aber ich habe noch ein paar zusätzliche Fragen.«
    »Zusätzlich?« Gedanken schießen mir wild durch den Kopf, und

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