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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Albin
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kann. »Ich glaube, für heute sind wir fertig.«
    Ich blicke Pryana an, die jetzt vielleicht meine Freundin ist. Wenigstens habe ich sie gerettet, wenn auch nur für den Augenblick. Ihr Gesicht sagt alles – sie kann so etwas nicht. So scharf sie auch darauf war, Webjungfer zu werden – das hier hat sie nicht erwartet. Und ich ehrlich gesagt auch nicht.
    »Pryana, du bist entschuldigt«, sagt Maela. »In Anbetracht der Umstände wäre alles andere unfair.« In Pryanas Augen sehe ich das gleiche Entsetzen, das auch ich empfinde. »Mein Beileid«, säuselt Maela und klopft ihr auf die Schulter.
    »Warum Beileid?« Ihre Stimme ist leise, und Maela schaut sie an, als hätte sie sie nicht verstanden.
    Mit trockenem Mund wiederhole ich Pryanas Frage für sie. »Sie hat gefragt: Warum Beileid?«
    »Leider«, Maela lässt das Wort einen Moment lang nachklingen, »war das die Akademie von Cypress.«
    Pryana atmet heftig, ihr Blick richtet sich auf das Loch. Sie versucht, das Gewebe zu lesen.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass viel davon übrig ist.« Maela macht ein bedauerndes Gesicht und wendet sich dann Erik zu, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern.
    »Meine Schwester geht in Cypress zur Akademie«, sagt Pryana leise.
    Alle sehen sie an, aber ihr Blick ist noch immer starr auf das verstümmelte Gewebe gerichtet. Einige der anderen betrachten mich jetzt verstohlen. Als Pryana den Blick hebt, schaut sie mir direkt in die Augen.
    »Du hast sie umgebracht.«
    Bestimmt erwartet Maela, dass Pryana jetzt mich umbringt. Ich mache mich schon darauf gefasst, als kräftige Hände meine Arme ergreifen. Erik zieht mich fort, in Sicherheit.

SECHS
    W ir gehen rasc h, bis wir den steinernen Gang erreichen, durch den man mich gestern hergebracht hat. Dort lockert sich Eriks Griff um mein Handgelenk, und er verlangsamt seinen Schritt. Als ich aufblicke, sehe ich, dass er mich angrinst. In seinem schwarzen, gut geschnittenen Anzug, rasiert und gepflegt, wirkt er absolut seriös. Nur sein wildes blondes Haar und das schiefe Grinsen strafen den professionellen Eindruck Lügen. Er ist jünger, als ich gedacht hätte. Aber schließlich war ich bei unseren vorherigen Treffen immer halb verhungert oder stand unter Drogen. Trotzdem überlege ich, ob er wohl genauso gefährlich wie seine Chefin ist.
    »Hab ich irgendeinen Witz nicht mitgekriegt?«
    »Doch, hast du«, versichert mir Erik, immer noch grinsend. »Du weißt anscheinend ganz gut, wie sich Maela aus der Reserve locken lässt. Ich hab sie noch nie so wütend erlebt.«
    »Du hast eine komische Art von Humor.« Ich rufe mir ins Gedächtnis, wie Maelas Gelassenheit innerhalb eines Augenblicks in rasende Wut umgeschlagen ist. Aber vielleicht hatte sie sich dabei sogar noch im Griff. Vielleicht wollte sie mit ihrem Wutanfall nur Pryana gegen mich aufbringen.
    »Warum hast du es eigentlich nicht getan?«, fragt er.
    »Es war überflüssig. Der Faden war stabil genug«, antworte ich ohne Zögern.
    »Die Gilde hat ihre Gründe, seine Entfernung zu verlangen.« Erik lässt meinen Arm jetzt ganz los.
    »Wirklich?«, frage ich und bereue es im selben Moment. Ich bin mir sicher, dass Maela alles, was ich sage, zu Ohren kommt – vor allem, wenn ich Fragen stelle. Aber wenn Erik auf meinen Einwand etwas zu erwidern hat, behält er es für sich.
    Er öffnet die hohe Eichentür vor uns. »Eine Führung gefällig?«, fragt er augenzwinkernd.
    Ich schaue mich in der leeren steinernen Zelle um und schüttle den Kopf. »Ich war schon mal hier. Aber trotzdem danke.«
    »Ich sehe später noch mal nach dir«, sagt er und tritt hinaus auf den Gang.
    »Kann’s kaum erwarten«, antworte ich.
    »Weiß ich doch!« Erik blinzelt mir zu und schließt die große Tür.
    Das Erste, was mir auffällt, ist die Toilette. Anscheinend habe ich mir irgendwie eine kleine Aufwertung meiner Zelle verdient. Allerdings ist das nur ein geringer Trost, jetzt, wo mir klar wird, dass ich hier sterben werde. Vielleicht nicht in dieser Zelle, aber in diesem Konvent. Eigentlich sollte mir das mehr zu schaffen machen. Doch anstatt hier im Dunkeln über mein Schicksal nachzugrübeln, denke ich lieber an meine Mutter und an Amie. Hier in der Zelle, jenseits des grellen Lichts und der schrillen Farben, habe ich ihr Bild besser vor Augen. Die Art, wie meine Mutter beim Nachdenken immer auf ihren Lippen herumkaute. Wie Amie mir die Kleidung ihrer Mitschülerinnen haarklein beschrieb oder erzählte, wer mal wieder Ärger fürs Quatschen

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