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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Albin
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bekommen hatte. In der Dunkelheit kann ich mir ausmalen, wie ich mich in meinem Zimmer über Yuna Landew kaputtlache, die draußen vor der Klasse zu ihren Reinheitsstandards befragt wird. Inzwischen finde ich das natürlich nicht mehr so lustig.
    Heute, wo ich weiß, wie weit die Gilde geht, frage ich mich, was wohl wirklich mit Yuna passiert ist. Vielleicht war sie ja besser im Dummstellen als ich. Ich hätte mir eigentlich denken können, dass Maela mit ihrem Test nicht nur die Spreu vom Weizen trennen, sondern meine Loyalität auf die Probe stellen wollte. Meinetwegen sind Hunderte gestorben. Und wen habe ich gerettet ? Einen ältlichen Lehrer, ein unheilbar krankes Kind?
    Ich habe schon fast das letzte bisschen Hoffnung verloren, als sich die Tür zu meiner Zelle quietschend öffnet. Überrascht stelle ich fest, dass es der merkwürdige Junge mit dem enttäuschten Blick ist, der mir mein Essen bringt.
    »Hast du mich so sehr vermisst?«, zieht er mich auf, als er das Essen neben mich stellt. Ich kauere in einem kleinen Winkel der Zelle, der mir ein bisschen wärmer als der Rest vorkommt.
    »Bilde dir bloß nichts ein. Ich habe einfach einen Fetisch für kalte Fußböden.«
    »Fetisch? Was für ein beeindruckendes Wort!« Er hebt fragend eine Braue, als wolle er wissen, woher eine blutjunge Kandidatin wie ich derart komplizierte Worte kennt.
    Ich bin drauf und dran, ihm zu sagen, dass ich im Gegensatz zu den meisten hiesigen Hohlköpfen schon mal ein Buch angefasst habe, aber dann funkle ich ihn doch lieber nur schweigend an. Das mit dem Anfunkeln scheint allerdings nicht so gut zu funktionieren, denn als ich sein unterdrücktes Grinsen sehe, fühle ich mich irgendwie dumm, nervös und glücklich zugleich. Zu meiner Verblüffung lässt er sich neben mir auf dem Boden nieder.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass du dich dumm stellen sollst«, sagt er mit gedämpfter Stimme.
    »Dann habe ich wohl nicht auf dich gehört«, erwidere ich schulterzuckend.
    »Du treibst es noch so weit, dass sie dich umbringen!« Er klingt resigniert, als ahnte er, dass mir das inzwischen egal ist.
    »Ich bin ohnehin schon wie tot. Wie alle hier.«
    »Tot hat man seine Ruhe«, brummt er. »Dieses Halbleben hier ist schlimmer.«
    Er ist nicht so verdreckt wie bei unserer letzten Begegnung, aber immer noch unrasiert, und er hat sein lockiges braunes Haar nicht mal zu einem Zopf gebunden. Er ist nicht wie mein Vater oder wie die Väter meiner Freundinnen, und auch nicht wie die Wachmänner in der Anlage. Es ist das Raue an ihm, das ihn von den wohlgepflegten Männern aus Arras unterscheidet. Aber was mir den Atem stocken lässt, ist sein durchdringender Blick.
    »Du bist viel sauberer als letztes Mal«, sage ich, bereue es aber sofort.
    »Ich verschwende meine Zeit nicht mit Maniküre, wie manch anderer«, antwortet er leichthin.
    Vermutlich soll das eine Spitze gegen Erik sein, aber auch mein Vater hat seine Nägel gepflegt.
    »Also rasierst du dich nicht. Du pflegst deine Hände nicht. Was machst du die ganze Zeit?«
    »Ich halte den Laden hier am Laufen«, antwortet er, als wäre das Erklärung genug.
    »Und?«, bohre ich nach.
    »Offiziell bin ich Chefbutler, und es ist meine Aufgabe, zwischen den Arbeitern und den Webjungfern zu vermitteln. Ich sorge dafür, dass die Dinge glattlaufen. Man hat mich beauftragt, dich in den Salon zu bringen, und da dachte ich mir, ich lerne dich mal kennen.«
    Ich beiße mir auf die Unterlippe und nicke.
    »Was denn?!«, fragt er. »Ach so, ja. Als wir uns das erste Mal getroffen haben, sah ich wirklich wild aus, sogar für meine Verhältnisse. Da kam ich gerade von der Gartenarbeit. Das ist das Einzige, was ich einfach nur für mich mache. Ich mag es, die Erde unter den Händen zu spüren. Es ist ehrliche Arbeit.«
    »Meine Großmutter hat auch gegärtnert«, sage ich. »Früher, bevor man eine Erlaubnis dafür brauchte. Ihr ging es genauso.«
    »Blöde Gilde«, erwidert er. »Bestimmt hat es deiner Großmutter gefehlt. Hier drin kann ich mich zum Glück unbemerkt über die Regeln hinwegsetzen. Die sind alle viel zu sehr mit der Kontrolle der Außenwelt beschäftigt, um sich darum zu kümmern.«
    »Wie kommt es, dass du noch nicht tot bist?«, frage ich. »Oder zumindest in einer Zelle sitzt? Ich habe von dir noch kein Wort gehört, das nicht nach Hochverrat klang.«
    »Im Gegensatz zu dir achte ich darauf, mit wem ich rede. Ich habe einen Hochverräter-Spürsinn.« Sein müdes Lächeln lässt ihn

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