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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Albin
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Loricel.«
    Jetzt verstehe ich, weshalb Enora zittert.
    »Oh«, sage ich. »Ich habe sie in Cypress getroffen.«
    »Du musst einen ziemlichen Eindruck auf sie gemacht haben«, meint Enora.
    »Sie wusste von mir«, erzähle ich. »Und es hat ihr nicht gefallen, dass ich mit Cormac dort war.«
    »Natürlich nicht.«
    »Das hat er auch gesagt. Und ich bin der gleichen Meinung. Er ist zu alt für mich«, scherze ich, um die Stimmung etwas aufzuhellen.
    Doch Enora lacht nicht. »Loricel findet es nicht gut, dass er so viel Einfluss im Konvent hat. Sie meint, wir sollten uns selbst verwalten.«
    »Tun wir das nicht?«
    »Loricel schon, aber der Rest der Webjungfernschaft wird streng durch die Gilde beaufsichtigt. Wir besitzen vielleicht mehr Macht als andere Bürgerinnen, aber das will nicht viel heißen.«
    Ich denke zurück an Cormacs Befehle, sein Gespräch über das Protokoll zwei und daran, wie er mir Arras angeboten hat, als würde es ihm gehören. Amies Stimme hallt in meinem Kopf wider: Webjungfern haben alles in der Hand . Habe ich das etwa auch geglaubt?
    »Soll ich ihr erzählen, wozu ich in der Lage bin?«, frage ich mit gedämpfter Stimme.
    Enoras Blick verweilt auf mir, doch gedanklich schweift sie in andere Gefilde ab. Als sie antwortet, klingt ihr Tonfall abwesend. »Nein. Aus Erfahrung weiß ich, dass man manche Geheimnisse für sich behalten muss, selbst gegenüber Menschen mit den besten Absichten.«
    Ich suche in ihrem Gesicht nach Anzeichen, dass sie sich bewusst ist, soeben ein Werturteil abgegeben zu haben. Zumindest einen Moment lang hat sie aufrichtig und ohne Rätsel mit mir gesprochen. Und auch wenn ich ihr weder die Sache mit Cormac anvertraue noch Eriks Bedenken oder die Tatsache, dass Jost mir ein Abendessen ausgegeben hat, bringt uns das einander näher. Ich kann die Mauer zwischen uns, die verhindert, dass wir vollkommen ehrlich zueinander sind, nicht wegreden, aber immerhin bin ich mir nicht mehr sicher, wer sie eigentlich errichtet hat.
    Eine Sache jedoch lässt mir keine Ruhe. »Wo wir gerade bei Geheimnissen sind: Warum hast du mir nicht rechtzeitig etwas von dem Vorfall in Cypress gesagt?«
    Enoras Blick spricht Bände: Weil sie davon nichts wusste.
    »Welcher Vorfall in Cypress?«, fragt sie leise. »Dazu gab es bei uns nichts im Stream.«
    »Ach, nichts«, brumme ich, und bevor sie nachfragen kann, sind wir wieder zurück in den Mauern des Konvents.
    Enora lässt mir keine Zeit, meine Reisekleider abzulegen. Stattdessen zerrt sie mich in den zugigen Raum, in dem ich an dem Tag, als ich Webjungfer wurde, meinen ersten Auftrag bekommen habe. Seitdem bin ich nicht mehr hier gewesen. Das Fenster steht offen, und Chiffonvorhänge wirbeln davor herum. Ich betrachte den Webstuhl – meinen Webstuhl – etwas genauer. Er ist poliert und wirkt unangetastet. Die Hebel an den Seiten stehen still und warten nur darauf, dass ich sie zum Leben erwecke. Und neben der schweigenden Maschine wartet Loricel.
    Ich neide ihr ihren einfachen marineblauen Hosenanzug. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal eine Hose tragen durfte. Mich verblüfft auch, wie machtvoll sie im Vergleich zu den meisten Webjungfern wirkt. Sie ist eben nicht so aufgetakelt wie die anderen.
    »Danke, Enora«, sagt sie.
    Enora nickt. »Kann ich dir noch etwas bringen?«
    »Nein, das ist nicht nötig«, antwortet Loricel und zieht sich einen der Atelierstühle heran. »Die Wandbildschirme sind schön, findest du nicht auch?«
    Ich lächle stumm, weil ich nicht weiß, was ich darauf erwidern soll.
    »Ich möchte heute mit Adelice allein arbeiten«, erklärt sie Enora, und meine Mentorin lächelt ebenfalls. Zum ersten Mal wirkt sie nicht besorgt, weil sie mir von der Seite weichen muss.
    »Zugang Alpha L«, sagt Loricel, nachdem Enora uns verlassen hat.
    »Zugang gestattet«, erklingt eine körperlose Stimme aus der Konsole.
    »Bild- und Tonüberwachung abschalten«, befiehlt Loricel.
    »Überwachung und Aufzeichnung sind für eine Stunde abgeschaltet.«
    »So ist es besser«, sagt sie, an mich gerichtet, und klopft auf den Stuhl neben ihr.
    Ich setze mich und schaue sie an.
    »Wie geht es mit deiner Ausbildung voran?«, fragt sie.
    Die Frage lässt mich erröten. Ich weiß noch kaum, wie man den Webstuhl einschaltet, und habe so gut wie nie unbeaufsichtigt etwas an der Maschine gewoben. »Es geht gar nicht voran«, antworte ich wahrheitsgemäß.
    »Das habe ich mir gedacht. Cormac setzt wie immer nicht die richtigen

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