Codename Azteke
von El Oro de Moscú gehört, wie der große Geldtransport der spanischen Goldreserven im Bürgerkrieg auch genannt wurde.
Anfänglich hatte sich Pinto als begeisterter Münzsammler
dafür interessiert. Es war allgemein bekannt, dass man in Spanien vor dem Bürgerkrieg, anders als in anderen Ländern, Goldbarren abgelehnt hatte und stattdessen die meisten Reserven in Goldmünzen gesammelt hatte.
Er hatte sich die Aufzeichnungen angesehen und erstaunt festgestellt, dass die meisten Münzen – über zwei Drittel davon – englisch waren. Der Rest bestand aus spanischen Peseten, Schweizer Franken, österreichischen Schillingen, französischen und belgischen Francs, deutscher Mark, italienischen Lire, portugiesischen Escudos, russischen Rubel und holländischen Florins sowie argentinischen, mexikanischen und chilenischen Pesos und einer großen Menge amerikanischer Half-Eagles.
Pinto sah sich das Prägedatum der Münzen an. Es gab große Unterschiede in Bezug auf Seltenheit und daher im Wiederverkaufswert zwischen einer Zwanzig-Shilling-Münze von George IV. von 1821 und der gleichen Münze aus dem Jahre 1824 – sozusagen einen zehnfachen Unterschied. Enthielt die Ladung seltene Münzen? Hatten Kenner diese Unterschiede erkannt und die wertvollsten Münzen aussortiert?
1985 tauschte Pinto seine Marineuniform gegen einen schlichten dunklen Anzug und brachte seine Moskau-Goldakten in sein Büro in Madrid. Dort blieben sie einige Jahre lang unberührt in einer der unteren Schubladen liegen, während sich der neue Mann in den Rängen des Geheimdienstes nach oben arbeitete. Pinto half dem Geheimdienstchef dabei, die Organisation zu restrukturieren und zu reorganisieren und aus dem CESID des Kalten Krieges den modernen CNI zu machen.
Schließlich bezogen sie ein neues imposantes Gebäude
am westlichen Stadtrand nicht weit vom weitläufigen Gelände des Casa de Campo.
Fünf Jahre nach Antritt seiner neuen Stelle stolperte Pinto erneut über die Moskauer Goldakten, und dieses Mal schickte er einen seiner Angestellten los, um Informationen von der Zentralbank zu besorgen. Mittlerweile gehörte die Ära der obsessiven Geheimhaltung der Franco-Zeit im demokratischen Spanien langsam der Vergangenheit an, und selbst Dokumente, die man der Öffentlichkeit unter dem vorgeschobenen Grund der nationalen Sicherheit vorenthielt, waren für den stellvertretenden Leiter des CNI zugänglich.
Die Akten waren eine spannende Lektüre und enthielten genügend Beweise, dass Pinto sich den Reihen jener anschloss, die glaubten, dass man nicht über den Verbleib der gesamten Ladung Bescheid wusste. Die wichtigsten Fakten waren klar: Noch vor Beginn des Bürgerkrieges hatten Spanien und Russland darüber nachgedacht, die spanischen Goldreserven in Moskau zu deponieren – »ein Goldkonto« nannten sie es –, als Sicherheit für Waffenkäufe.
Da die Möglichkeit eines Waffenembargos gegen Spanien seitens der westeuropäischen Mächte bestand, brauchte die Republik Zugang zu boykottunabhängigen Mitteln.
Die erste Ladung wurde am vierundzwanzigsten Juli nach Paris geschickt, eine Woche nach der Rebellion der Nationalisten, und im September befahl der Ministerrat den Transport des restlichen Goldes nach Moskau.
Diese letzte Ladung bestand aus 10.000 hölzernen Kisten. Die Anzahl der Kisten, die die Bank verließen, und die derer, die in Cartagena eintrafen, stimmte überein. Angeblich enthielten sie 510 Tonnen Gold. Von Cartagena aus
wurden einige Kisten nach Marseille und weiter zur Eurobank in Paris geschickt. Das restliche Gold wurde auf vier sowjetische Frachter verladen, die nach Odessa in der Ukraine ausliefen.
Soweit gab es kein Problem für Pinto. Aber dort gerieten seine Nachforschungen ins Stocken.
Francisco Méndez Aspe, der Leiter der Bank von Spanien, war der Verantwortliche für die gesamte Transaktion und bestätigte die Verschiffung von 7.800 Kisten. Doch Alexander Orlow, Leiter des NKWD in Spanien und von Stalin persönlich beauftragt, die Verschiffung für die Sowjetunion zu überwachen, unterzeichnete in Cartagena für den Erhalt von 7.900 Kisten. Das bedeutete einen Unterschied von genau einhundert Kisten mit insgesamt sechseinhalb Tonnen Feingold.
Jahre später, 1992, setzte sich Vasili Mitrokhin, der Hauptarchivar des KGB, mit so vielen Mikrofilmen, wie er tragen konnte, in den Westen ab. Das meiste behielten die Amerikaner, aber die Reste teilten sie auf und bedachten bereitwillig ihre Alliierten. Spanien erhielt
Weitere Kostenlose Bücher