Codename Azteke
Luis Carrero Blanco, ermordet hatten.
Das vierköpfige Terrorkommando der ETA hatte einen Tunnel unter einer Madrider Straße gegraben und mit hundert Kilogramm Sprengstoff gefüllt. Als der Admiral, sein Fahrer und sein Leibwächter von der Kirche San Francisco wegfuhren – wo der Kopf der Franco-Regierung üblicherweise den Gottesdienst besuchte –, detonierte die Ladung mit solcher Wucht, dass das verbeulte Autowrack auf dem Balkon im zweiten Stock eines Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite landete.
Damals hatte Pinto nicht verstehen können, wie man solche Operationen direkt vor der Nase der Behörden planen konnte, doch er stellte fest, dass Spanien keineswegs allein dastand. Die ETA zu Hause, die IRA in Großbritannien, palästinensische Flugzeugentführer im Nahen Osten, algerische Plastiqueurs in Paris, der Trend war bereits seit langem erkennbar. Die Schlacht gegen den Terrorismus, schloss Pinto, würde die neue Frontlinie werden, und er wollte bei ihrer Verteidigung eine aktive Rolle einnehmen.
Doch im Augenblick beschäftigten Capitán Pinto mehrere Probleme. Er ging zu seinem Bürofenster, fuhr sich sacht mit der Hand über seine letzten verbliebenen, rasch dünner werdenden blonden Haare und strich dann mit Daumen und Zeigefinger über seinen Charlie-Chaplin-Schnurrbart. Während er den makellos gepflegten Rasen vor dem CNI-Gebäude betrachtete, der düster im morgendlichen
Nieselregen dalag, sehnte er sich nach der Brücke seiner alten Fregatte und der angenehmen Dünung des Nordatlantiks.
Vor ein paar Tagen hatte eine Terrorzelle von al-Qaida während der Rushhour einen Vorortzug bei der Einfahrt in den Atocha-Bahnhof in die Luft gesprengt. Bislang gab es über hundertfünfzig Tote und fast zweitausend Verletzte.
Der Innenminister hatte Pinto zur Schnecke gemacht und auf der Stelle Antworten gefordert. An die genauen Worte konnte Pinto sich später nicht mehr erinnern, aber er war sich todsicher, dass sie im Grunde nicht mehr enthielten als eine aus dem Ärmel geschüttelte Vermutung , dass der Anschlag die Handschrift der ETA trug.
Doch so wurde es nicht an Ministerpräsident Aznar weitergegeben – drei Tage vor der Wahl, bei der die Experten davon ausgingen, dass der Amtsinhaber sie gewinnen würde –, und so stellte er es auch nicht gegenüber der Bevölkerung dar: Im direkten Anschluss an den brutalen Anschlag deutete der offizielle Finger eindeutig in Richtung der ETA.
Die Empörung der Wählerschaft war ebenso heftig wie die Dementis aus den Lagern der baskischen Separatisten. Bald vermutete die Presse, dass eine baskische Beteiligung am Anschlag die Chancen des Ministerpräsidenten auf einen Wahlerfolg erhöhen würde, während ein islamistischer Hintergrund eher der sozialistischen Opposition in die Hände spielen würde, die seit langem vor möglichen Folgen der spanischen Beteiligung im Irak gewarnt und versprochen hatte, die Truppen dort abzuziehen, falls sie die Wahl gewinnen würde.
Letztendlich siegten die Ereignisse über die Dementis,
die der CNI herausgeben konnte, und José Luis Rodríguez Zapatero, der Vorsitzende der sozialistischen Arbeiterpartei, wurde am vierzehnten März zum Ministerpräsidenten gewählt.
Das bedeutete, dass sich Pinto um eine weitere delikate Angelegenheit kümmern musste. Im Einverständnis mit der vorherigen Regierung und im Austausch für garantierte Öllieferungen nach Spanien hatte der CNI insgeheim Bestrebungen in Südafrika unterstützt, durch die Celestino Potro, ein politischer Flüchtling, der sich zur Zeit in der Schweiz aufhielt, in seinem Heimatland Äquatorialguinea als Präsident eingesetzt werden sollte. Doch nun würden neue Herren mit einer anderen Philosophie die Mehrheit im spanischen Cortes innehaben. Pinto musste augenblicklich neue Freunde finden und sie auf seine Seite ziehen.
Dabei machte er sich keinerlei Illusionen: Wenn die Bemühungen seiner Behörde in Afrika in einem Debakel endeten, wäre der erste Kopf, der auf dem politischen Schafott rollen würde, sein eigener.
Das möglicherweise einzige positive Ereignis, auf das er sich an diesem verregneten Märztag freuen konnte, war die bevorstehende Rückkehr von Jack Hadley aus Kuba. Von seinen eigenen Quellen hatte Pinto bereits erfahren, dass sein erster Schachzug möglicherweise einen winzigen Spalt einer Tür geöffnet hatte, die letztendlich dazu führen könnte, das verschwundene Gold seines Landes zu finden.
Wie die meisten Spanier hatte Pinto
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