Codename Azteke
zurückzugehen. Ein Stück entfernt standen einige Offiziere vor dem Kloster und fragten sich, was das ungleiche Paar wohl zu bereden hatte.
»Haben Sie sie in irgendwelchen Sammlungen gesehen, Capitán Pinto?«
Der CNI-Mann schüttelte den Kopf.
»Nein, das hatte ich auch nicht angenommen«, fuhr Mercer fort. »Wenn es hier allerdings nicht um das Sammeln von Münzen geht, Capitán …« Pinto sah, dass er den alten Mann möglicherweise unterschätzt hatte. »Wenn das lediglich ein weiterer Versuch der Regierung ist, herauszufinden, ob einiges von ihrem – unserem – kostbaren Gold fehlt, dann kann ich Ihnen nur unmissverständlich versichern, dass dem nicht so ist. Was aus Cartagena fortgebracht wurde, ist auch nach Moskau gelangt. Da können Sie sicher sein.«
»Wie können Sie sicher sein? Sie sagten selbst, dass Orlow möglicherweise …«
»O ja, Orlow hätte gerne, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte. Aber ich habe Jesús Florin abgestellt, um auf ihn aufzupassen. Und jetzt sagen Sie mir, Capitán Pinto«, fragte
Mercer, ließ seinen Arm los, drehte sich zu ihm um und legte ihm beide Hände auf die Schultern, »glauben Sie auch nur einen Augenblick lang, dass Florin daran beteiligt gewesen sein könnte, Spaniens Gold zu stehlen?«
»Nein, nicht Florin«, antwortete Pinto, ohne zu zögern.
Nein, sagte sich Pinto, es sei denn, Florin hatte den Befehl dazu bekommen.
Das nächste Mal trafen sich Pinto und Mercer zwei Jahre später, Ende November 1995. Der Spionagechef hatte erfahren, dass der alte Republikaner krank war und im Hospital lag. Pinto fand ihn geistig klar, wenn auch körperlich gebrechlicher und wesentlich magerer vor, als er ihn aus dem Tal der Gefallenen in Erinnerung hatte. Auch Mercers Sohn und seine Tochter waren dort, und die Atmosphäre zeugte deutlich von Abschiednehmen.
Mercer sah von seinem Bett auf und erkannte Pinto. »Haben Sie Ihr Gold gefunden, Capitán?«, fragte er. Selbst in seinem leidenden Zustand brachte er noch einen Funken Sarkasmus zustande.
»Nein«, gab Pinto zu.
Mercer sah weg und schloss die Augen. »Fragen Sie Florin«, waren seine letzten Worte an den stellvertretenden CNI-Chef.
In der darauffolgenden Woche, am 8. Dezember, starb Antonio Mercer.
Seit diesem Treffen waren acht Jahre vergangen. Mit Mercers Tod waren Pintos Hoffnungen, die Wahrheit zu erfahren, langsam geschwunden. Bis jetzt: bis Florin selbst aus bislang unerfindlichen Gründen beschlossen hatte,
seine dreißigjährige Isolation zu beenden, und Pintos zuverlässigste Quelle bestätigte, dass er unter Umständen sogar mit der Wahrheit über den vermissten Schatz herausrücken würde. Damit blieb nur eine große Frage unbeantwortet: Was wollte der verdammte Azteke dafür haben? Denn eines wusste Pinto mit Sicherheit: Im Spiel der Geheimdienste gab es keine Geschenke.
Pinto sah zum grauen Himmel auf und bemerkte einen Sonnenstrahl, der im Osten durch die Wolkendecke brach. Vielleicht würden der Regen und die trübe Zeit enden. Vielleicht würde Hadley von seinem Treffen mit Florin die fehlenden Hinweise mitbringen, mit denen er dieses Rätsel lösen konnte.
Ja, schloss Pinto, der kurz bevorstehende Frühling soll ein Symbol für die besseren Zeiten sein, die vor mir liegen. Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück, räumte die Moskau-Akten beiseite und lehnte sich zurück. Jeden Augenblick würde das Auto vor dem CNI-Gebäude vorfahren, das Hadley vom Flughafen abholte.
7
Freitag der 13. begann wie jeder andere Tag, doch an diesem Tag sollte sich der schlechte Ruf dieses Datums noch beweisen, bevor in Salamanca die letzten Lichter ausgingen.
Seit sich Hadley und Mercedes kennen gelernt hatten, war über ein Jahr vergangen. Im Frühling waren sie aus dem Fonseca ausgezogen und hatten es nicht bedauert. An diesem kalten Februarmorgen hievte sich Jack widerwillig aus dem Bett und schleppte sich in die Dusche. Auf ihn warteten zwei Tutorien, eine Vorlesung und ein Besuch in der Bibliothek, und dann musste er noch ein paar Stunden an seinem Buch – Die Schlacht um Madrid: Persönliche Erinnerungen 1936 – 39 – arbeiten, bevor ihn der Akademikeralltag auffraß.
Mercedes arbeitete an einem Aufsatz für ihr Modul Armut und Ungleichheit und würde wahrscheinlich fast den ganzen Tag in ihrer Fakultätsbibliothek verbringen. Vermutlich würden sie sich erst am Abend wieder sehen. Einer ihrer Freunde feierte seinen vierzigsten Geburtstag, und sie hatten sich gegen sieben Uhr in einem
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