Codename Azteke
genug aufgestiegen, um das gleiche Schicksal zu erleiden wie seine Vorgesetzten. Er brauchte
allerdings nicht lange, um die leeren Stellen zu füllen, und noch bevor das Blut an den Mauern des Black-Beach-Gefängnishofes getrocknet war, holte Abad weitere Verbündete oder unglückliche Sympathisanten des einstigen »Wunders« in den Schreckensbau, den die westliche Presse als das »afrikanische Dachau« bezeichnete.
An einem feuchten Nachmittag saß Abad hinter einem funktionalen Metallschreibtisch in Malabo und sah den niedergeschlagenen Mann an, der ihm gegenübersaß. Schweigsam stand eine Wache neben der Bürotür.
»Nun, Mateo«, begann Abad mit der gemessenen Sprache eines vielbeschäftigten Mannes, dessen Geduld langsam zu Ende ging, »hast du es dir überlegt?«
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß!«, stieß der Mann hervor.
Er war in einem erbärmlichen Zustand. Seine rechte Gesichtshälfte war geschwollen, sodass das blutunterlaufene rechte Auge fast geschlossen war. Durch seine aufgerissene Unterlippe konnte man sehen, dass ihm mehrere Zähne fehlten. Er saß Abad gegenüber und versuchte, aufrecht zu bleiben, um die Schmerzen ertragen zu können, die ihm die fest hinter dem Rücken gefesselten Hände verursachten.
Abad schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln. Gelegentlich konnte man durch die dicken Ziegelmauern gedämpfte Schreie aus einem anderen Raum hören.
»Bring Federico herein«, befahl Abad der Wache. Es entging ihm nicht, dass sein Gefangener das gesunde linke Auge weiter aufriss.
Es war schwer zu sagen, was er davon halten sollte, dachte Abad, während er wartete. Ein Informant hatte Abad auf die Asuse-Brüder aufmerksam gemacht. Allgemein galten
sie als normale Geschäftsleute. Sie hatten einen großen Betrieb für Sanitätswaren mit Läden in Malabo und in Bata auf dem Festland. Aber sie besuchten auch regelmäßig Spanien und andere europäische Länder. Waren das lediglich Geschäftsreisen?
Federico Asuse wurde in den Raum gestoßen und neben seinen Bruder gesetzt. Er sah ein wenig besser aus als Mateo, doch auch ihm sah man die Spuren der Misshandlungen an.
»Federico«, begann Abad recht freundlich, »Mateo und ich haben einige Fortschritte gemacht.«
Er sah, wie sich Furcht auf Mateos Gesicht ausbreitete, doch der zerschlagene Mann wagte es nicht zu sprechen. Abad schien sein Spiel zu gefallen. Mit Terror konnte man alles erreichen. Bei einigen Gefangenen brauchte man etwas länger, aber Abad fand letztendlich immer die Toleranzgrenze seiner Opfer.
»Aber jetzt haben wir ein Problem. Du hast mir gesagt, dass du Celestino Potro nicht kennst«, erklärte er und sah demonstrativ in die Unterlagen auf seinem Schreibtisch.
»Ich …« Federico suchte nach Worten. »Ich kenne ihn nicht, Major – ich meine, ich habe ihn getroffen, aber ich kenne ihn nicht. Er weiß nicht, wer ich bin.« Er warf einen ängstlichen Blick auf seinen Bruder. »Ich sage die Wahrheit – ich kenne ihn nicht, das schwöre ich!«
»Und warum«, fuhr Abad mit leicht erhobener Stimme fort, »sagt man mir dann, dass du von einer Potro-Verschwörung gegen unser Land weißt? Warum?«
»Das weiß ich nicht!«
»Denk nach! Ich habe euch reichlich Zeit zum Nachdenken gegeben. Warum sagen mir die Leute ›die Asuse-Brüder
haben in Genf mit Potro gesprochen‹ oder ›die Asuse-Brüder wissen von einem geplanten Putsch‹? Warum?« Das letzte Wort schrie er heraus.
»Ich weiß es nicht«, wiederholte Federico.
Abad warf ihm einen Blick zu, der deutlich besagte, dass er ihm nicht glaubte, stieß seinen Stuhl zurück und stand auf.
»Kommt mit«, befahl er den Brüdern und ging um seinen Schreibtisch herum zur Tür. Er nahm keine Rücksicht darauf, dass die beiden Männer Fußfesseln trugen, und demonstrierte ihnen seine Verachtung, indem er hinausging, ohne sich umzusehen.
Vor dem Büro wandte sich Abad nach links in einen schmalen Gang, an dessen Ende Sonnenlicht durch eine Tür fiel. Unterwegs kamen sie an einer offenen Tür zu einem Folterraum vorbei, in dem ein lebloser, geschundener Körper kopfüber von einem Haken an der Decke hing, während ihn ein Soldat mit nacktem Oberkörper anpinkelte, als wolle er so das Blut abwaschen. Zwei seiner Kollegen lehnten sich an die Wand und machten eine Zigarettenpause.
In der Nachmittagssonne, in der sich kein Lüftchen regte, schien die harte Erde im großen Innenhof noch staubiger zu sein. Die weiß getünchten Wände, deren Monotonie gelegentlich
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