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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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habe sie gefragt, warum die Spritze? So zumindest gab es einer der Wärter, der sie festband, nach dem Krieg bei einem Verhör zu Protokoll. Pour Typhus, gegen Typhus, habe die Antwort des Arztes gelautet. Die Spritze war mit Phenol gefüllt. Das wirkte in solcher Dosis tödlich. Sie verlor das Bewusstsein und wurde sofort ins Krematorium geschafft. Sie muss jedoch aus der Ohnmacht noch einmal erwacht sein, just in dem Moment, in dem man sie in den Ofen schob. Sie habe gezuckt und sie habe geschrien, berichtete ein Häftling, der als Heizer zwangsverpflichtet worden war. Andrée Borrel ist 24 , als sie lebend verbrannt wird.
    Das alles kam erst heraus, als sich nach dem Krieg Vera Atkins auf die Spurensuche nach den Tätern begab. Nach denen, die selbst mordeten, und nach jenen, die es diesen vom Schreibtisch aus befahlen, den Schreibtischtätern. Was sie in den vielen Verhören ermittelte und was auch vor Gericht verwendet wurde, blieb nicht geheim. Wohl aber die Rolle der SOE . Die Verbrennung der Agentin bei noch lebendigem Leib wurde öffentlich. Am 30 . Mai 1946 berichtete die Tageszeitung Daily Telegraph unter der Headline »British Women Burned Alive« darüber. Belegbar ist allerdings nur der Fall Borrel. Ob die in derselben Nacht zu Tode gespritzten Frauen ebenfalls noch lebten, als sie verbrannt wurden, wie es die Schlagzeile suggeriert, ist nicht beweisbar.
    Sonja Olschanezky hatte im Gegensatz zu den anderen keine Ausbildung als Agentin, sie kam über eine der wenigen Zellen des jüdischen Widerstands in Paris, in der sie als Kurierin aktiv war, in Kontakt mit SOE . Festgenommen von der Gestapo am 22 . Januar 1944 , begann nach monatelanger Haft im berüchtigten Gefängnis von Fresnes auch ihre letzte Reise am 13 . Mai 1944 im Gestapo-Hauptquartier in Paris. In Natzweiler-Struthof wartete am Ende jener Julinacht auch auf sie der Arzt mit der tödlichen Spritze. Sonja Olschanezky ist zwanzig Jahre alt , als sie ermordet wird.
    Vera Leigh, Codename Simone, war bei der Ausbildung in den Trainingscamps der SOE die älteste der für den Einsatz vorgesehenen Frauen. Vierzig Jahre alt. Die Beste bei den Schießübungen. Nach dem Absprung in Frankreich am 13 . Mai 1943 schloss sie sich wie befohlen in Paris als Kurierin dem Netzwerk Inventor an. Unterschlupf fand sie zunächst im Hinterzimmer einer Wohnung in der Rue Lauriston. Um die Ecke wohnte der Abwehr-Mann Hugo Bleicher, was sie natürlich nicht wusste. Sie lernte ihn aber kennen, denn er persönlich war es, der sie und ihren Begleiter am 30 . Oktober 1943 im Café Mas verhaftete und in Fresnes einsperren ließ.
    Genau ein Jahr nach ihrer Landung in Frankreich wurde auch sie am 13 . Mai 1944 ins Gestapo-Hauptquartier in der Avenue Foch gebracht, von dort zunächst, wie die anderen Frauen mit Handschellen gefesselt, nach Karlsruhe ins dortige Zuchthaus und anschließend ins Konzentrationslager Natzweiler-Struthof deportiert. Auch sie starb durch eine tödliche Injektion. Wie einer der SS -Wärter gegenüber Vera Atkins zu Protokoll gab, ist Vera Leigh zuvor von mehreren Männer vergewaltigt und verprügelt worden.
    Diana Rowden, Codename Paulette, gehörte seit Mai 1943 zu den Frauen von Special Operations Executive , ihre Talente waren bei der Women’s Auxiliary Air Force ( WAAF ) entdeckt worden. Nach der üblichen Ausbildung schickte Buckmaster sie als Kurierin zur Unterstützung des Netzwerks Acrobat nach Frankreich, wo sie am 17 . Juni 1943 landete. Dreimal entkam sie knapp der Gestapo, einmal versteckt in der als angeblich defekt verschlossenen Toilette eines Zuges, deren Tür sie von innen zudrückte, ein andermal durch einen Spurt in einen Tannenwald, weil der deutsche Feldgendarm, der sie kontrollieren sollte, für einen Moment abgelenkt war. Am 18 . November war es zu spät für einen Fluchtversuch. Zwanzig Deutsche standen schussbereit vor dem Haus, in dem sie unter falschem Namen wohnte. Auch ihre Reise in den Tod begann am 13 . Mai 1944 im Gestapo-Hauptquartier in Paris, und auch die ihre endete durch die Spritze im Krankensaal des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof. Sie wurde 29 Jahre alt.
    Einer der Häftlinge dort, Pat O’Leary alias Albert Guérisse, konnte sich an jene Nacht erinnern, weil er im Abstand von fünfzehn Minuten viermal eine Flamme aus dem Schornstein hatte hochschießen sehen. Das geschah nur, wenn die Klappe des Ofens geöffnet wurde, ein Luftzug die Glut anfachte, Leichen verbrannt wurden. Diesmal waren es die von

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