Codename Hélène
von ihr und Alsop, Schley und Farmer ausgewählt worden. Die nächtlichen Empfangskomitees zu organisieren und den Einsatz zu koordinieren, überlassen sie Hélène. Die kann das, weshalb man sie auch »chief of parachuting« zu nennen pflegt. Doch es ist ihr zu anstrengend, jede Nacht auf das Geräusch der Flugzeuge zu warten. Nancy Wake sucht nach Alternativen und entwickelt eine eigene Strategie.
Die klingt zwar abenteuerlich, aber passt zu ihr. Ab sofort, schlägt sie Hubert vor, sollen alle Fallschirme mit Containern auf den Wiesen hinter dem Schloss landen. Major Farmer hält nichts davon. Die Deutschen waren zwar durch die Bombardierungen der Alliierten, denen sie im Luftkampf nichts mehr entgegensetzen konnten an eigenen Geschwadern, in ihren militärischen Möglichkeiten eingeschränkt. Aber sie waren am Boden immer noch mächtig. Und eben weil sie wussten, dass sie nichts mehr zu verlieren hatten, was nicht eh schon verloren war, umso gefährlicher.
Aber sie bleibt stubborn , stur. Benutzt seine Argumente für die ihren. Es sei viel zu gefährlich, jede Nacht an einem anderen Platz auf die Liberators oder Lysanders zu warten, jede Nacht die Container auf Karren zu laden, in irgendein Versteck zu schaffen, auszupacken und zu verteilen. Immer bedroht durch SS -Kommandos. Deren Schwur, bis zur letzten Patrone zu kämpfen, gilt jetzt erst recht. Das weite Gelände hinter dem Château dagegen lässt sich erstens leicht überwachen, zweitens könnten sie nach den Abwürfen in einer Menschenkette alle Container ins sichere Schloss schaffen, sie umgehend ohne Zeitverlust dort auspacken, die Waffen direkt übergeben an die Maquisards und problemlos die Verpackungen im tiefen Schlossgraben versenken. Noch einen Vorteil habe das alles: Sobald sich eine Maschine verspäte oder aufgrund der Wetterverhältnisse in England nicht starten konnte, würden sie das per Funkspruch erfahren und könnten weiterschlafen, statt sich auf nassen Wiesen hinter Büschen verstecken zu müssen. Ihr Vorschlag wird akzeptiert, London über die neue und bis auf Weiteres gültige drop zone informiert.
In Containern, abgeworfen per Fallschirm, sehnlichst erwartet von Partisanen, lieferte Special Operations Executive bis Kriegsende in allen von den Nazis besetzten Ländern aus der Luft das für den Kampf nötige Material aus: 197 4 80 Maschinenpistolen, viele der Stens mit Schalldämpfer ausgerüstet, 20 5 18 leichte Maschinengewehre, 127 3 30 Gewehre, 57 8 45 Pistolen, 722 2 71 Handgranaten, 9010 Minen und sogar 2440 Panzerfäuste. Britische – und dann amerikanische – Offiziere unterwiesen die fast alle aus zivilen Berufen in den Untergrund abgetauchten Männer und Frauen im Gebrauch der Waffen. Für Sabotageakte schrieb der alliierte Generalstab eine Most-Wanted- Liste. Auf der Wunschliste für Frankreich standen Flugzeug-, Chemie- und Autofabriken, namentlich Peugeot, wo es einen spektakulären Sabotageerfolg von SOE gab, standen Zugstrecken, Bahnhöfe, Brücken, standen Raffinerien, Elektrizitätswerke, Strom- und Telefonleitungen.
Etwa ein Drittel aller Waffen fiel zwischen 1941 und 1944 dem Feind in die Hände. In seiner Bilanz für das Reichssicherheitshauptamt ließ SS -Gruppenführer Carl Oberg, oberster Polizeichef im besetzten Frankreich, immer wieder seine Erfolge auflisten, zum Beispiel die zwischen Januar und September 1943 : Zwar habe es in diesen neun Monaten 534 Mordanschläge und 3502 Sabotageakte gegeben, denen 150 Deutsche und 149 französische Kollaborateure zum Opfer gefallen waren. Aber seine Leute hätten andererseits in diesem Zeitraum 22 3 56 Personen festgenommen, 24 britische Agenten »unschädlich gemacht«, was nichts anderes bedeutete als erschossen, und folgendes Material konfisziert: 1600 Maschinenpistolen samt Munition, 550 Pistolen, 7000 Handgranaten, 3800 Kilo Sprengstoff, 3500 Brandbomben und 26 Funkgeräte. Über die Verluste unter den Résistance-Kämpfern gibt es allenfalls Schätzungen. Viele gerieten in einen Hinterhalt, verraten von der Milice Française , ihren faschistischen Landsleuten, oder weil es der Gestapo gelungen war, die verschlüsselten Funksprüche bestimmter Operationen zu knacken und den über den Ärmelkanal geschickten Agenten eine Falle zu stellen.
Mit solchen Erfolgsmeldungen kann Oberg jetzt nicht mehr angeben. Sein letzter Einsatz in Paris war die Verhaftung der Offiziere um Stülpnagel gewesen, die zu spät gegen Hitler aufgestanden waren. Die hatten ihn kurzfristig
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