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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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heroischen Geschichte der tapferen Frauen in der Résistance, von denen viele ihren Mut mit dem Leben bezahlen mussten, in deutschen Konzentrationslagern oder vor Hinrichtungskommandos der französischen Miliz und der SS , gehört auch die der Nancy Fiocca alias Nancy Wake.
    In der Tat: What a life! Eine junge Australierin bricht aus ihrem langweiligen ersten Leben aus, reist im zweiten leichtherzig durch die Welt, gehört im dritten Leben als Gattin eines reichen Franzosen automatisch zur Pétain-gläubigen bürgerlichen Gesellschaft und beginnt insgeheim ein viertes Leben im Untergrund.
    Wenn sie nach dem Krieg über diese Zeit befragt wurde, antwortete sie, all das, was sie damals in ihrem vierten Leben geleistet hatte, sei keiner besonderen Rede wert. Und folgt damit den klassischen Regeln des britischen Understatement, das in allen Lebenslagen gilt. Ihre Autobiografie schrieb sie nur deshalb, weil sie dringend Geld brauchte, und selbst in der verriet sie nicht mehr als unbedingt nötig für eine Chronik der Ereignisse. Bei der Buchpremiere rückte ihr ein Reporter zu nahe auf den Leib und wollte neugierig wissen, ob es eine Liebelei oder gar eine Liebe gegeben habe im Geheimen. Schließlich sei sie im besten Alter gewesen, gerade mal um die dreißig, jahrelang getrennt von ihrem Mann und doch Tag und Nacht von Männern umgeben. Da konterte sie schlagfertig doppeldeutig, ob er nicht wisse, dass Frauen in der Résistance hauptsächlich dafür eingesetzt worden waren, den tapferen Kerlen morgens zum Frühstück die Eier aufzuschlagen. Gab aber in einem anderen Interview zu, dass sie im hohen Alter es manchmal doch bedaure, keine Affäre erlebt zu haben: »Andererseits, hätte ich einem nachgegeben, dann hätte das sofort die Runde gemacht, und ich hätte dann der ganzen verdammten Bande nachgeben müssen.«
    Elisabeth Haden-Guest, die zeitweise zu dem Netzwerk gehörte, in dem auch Nancy Fiocca aktiv war, die Nancy als raumfüllende, auffällige, mitunter aufbrausende Schönheit beschreibt, war in ihren Memoiren zumindest in dieser Beziehung – und in ihrer damaligen Beziehung zu Ian Garrow – weniger diskret. Liebe in Zeiten des Kriegs und im Untergrund war für sie die nötige Reaktion auf die tagtägliche Todesgefahr, die automatisch entstehende Nähe, die Verzweiflung: »In war the relationship between man and woman is so desperate and so intense and so needed.«
    Sir Lewis Hodges, ihr Buddy Bob, an dessen Flucht aus Frankreich 1942 sie aktiv beteiligt war, nahm Nancy Fiocca einmal mit zur traditionellen Sommerparty der Queen im Garten des Buckingham-Palastes. Dabei stellte er sie der Königin als jene Frau vor, die in Frankreich als »Albtraum der Gestapo« bekannt geworden sei. Nancy unterbrach seine Eloge und erklärte Ihrer Majestät, sie habe nichts weiter getan als ihre Pflicht, wie viele andere auch, und außerdem im Gegensatz zu denen das Glück gehabt, mit dem Leben davongekommen zu sein. Deshalb rühmte sie, nicht nur im Gespräch mit Königin Elizabeth, sondern auch öffentlich bei jeder Gelegenheit ihre Mitstreiter im Widerstand. Erinnerte stets daran, wie viele der Besten gefangen, deportiert und ermordet worden waren. Sowohl von der SS als auch von deren französischen Helfershelfern.
    Der abgrundtiefe Hass auf die ursächlich Schuldigen an Krieg und Terror und Völkermord, die Deutschen, war eine unsterbliche Liebe. Der blieb sie bis an ihr Ende treu. Ob sie es tatsächlich bedauerte, nicht mehr »Hunnen« getötet zu haben als nur den einen, dem sie das Genick brach, oder mit dieser zynisch-flapsigen Bemerkung nur einem britischen Boulevardreporter Zucker für seine Affen, die Leser, geben wollte? In Wirklichkeit war sie damals »tagelang erschüttert«, wie einer der Männer notierte, der beim nächtlichen Überfall auf eine deutsche Garnison dabei war und sah, wie Nancy das antrainierte silent killing zum ersten Mal anwenden musste: »It upset her for days.«
    Weil sie nicht besonders gut formulieren konnte, wirken ihre Erinnerungen echt. Sie war keine Sprachschöpferin, keine wortgewaltige Stilistin. Zu schreiben hatte sie gelernt als freie Mitarbeiterin des International News Service. Was der brauchte, waren facts and figures , Fakten und Zahlen. Nur diese spracharme Form war der einstigen Journalistin Nancy Wake vertraut, als sie ihre Biografie verfasste. Es spricht deshalb alles dafür, dass sie ganz einfach nur berichtete, was sie tatsächlich erlebt hatte, und dass deshalb sowohl die

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