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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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schussbereit in der Hand, am Rande eines leicht ansteigenden Hügels im Schatten eines Baumes. Dort entdeckt sie, angeführt von Capitaine Henri Tardivat, ein Suchtrupp des Maquis. Weil sie mit der richtigen Frage konfrontiert wird, nämlich jener betreffend die Angelegenheiten von Madame Beaulieu, sie wiederum die richtige Antwort weiß, nämlich dass die noch nicht erledigt seien, lassen alle ihre Waffen sinken.
    Erst einmal war Mademoiselle Andrée, wie sie kodiert per Funkspruch angekündigt worden war, jetzt in festen Händen. Denen von Franzosen. Er hoffe, sagte Tardivat, dass er unter allen Bäumen Frankreichs in diesem Jahr solch schöne Früchte finden würde. Worauf sie ungehalten erwiderte, er möge sie gefälligst mit diesem »french shit« verschonen. Als ihn die junge Frau in den kommenden Wochen und Monaten näher und besser kennenlernte, muss sein »french shit« allerdings doch eine gewisse Wirkung entfaltet haben. Tardivat war in jener Zeit der Mann, den sie mehr als alle anderen bewunderte, denn er sei intelligent, diszipliniert, verlässlich, ehrlich und tapfer gewesen. »He also had a fantastic sense of fun, which I appreciated.« Da Nancy Wake stets zu haben war für einen handfesten Witz, einen practical joke , fand sie im Forces-Françaises-Libres -Offizier, der Henri hieß so wie ihr Mann, einen gleichgesinnten Freund fürs Leben.
    Agent Hubert, der sich nach ihr aus einer U. S. Air Force Liberator hatte fallen lassen, verabschiedet vom Bordschützen mit einem Klaps auf die Schulter, landete dagegen zielsicher dort, wo auf dem Hügel die Lichter von Taschenlampen aufleuchteten: »I fell perfectly into the light«, gab Major John Hind Farmer in seinem Report an, den er nach der Befreiung Frankreichs am 26 . Oktober 1944 , zurückgekehrt nach London, seinen Vorgesetzten lieferte, »but Hélène on the other hand fell some 300 yards away from the field.« Dass Nancy Wake das Landungsfeld um rund 100 Meter verfehlte, könnte jedoch auch ganz andere Ursachen gehabt haben als mangelnden Orientierungssinn. Nancy Wake litt während des gesamten Fluges an Übelkeit. Ihre Farewell-Party in einem Klub in der Londoner Park Lane hatte bis morgens vier Uhr gedauert. Immerhin hatte sie nichts von dem vergessen, was man ihr beigebracht hatte. Vor allem die erste Regel für Agenten: auf alles gefasst sein zu müssen. Der Suchtrupp fand sie nach wenigen Minuten. John Farmer lobte: »She was eventually found by a search party, revolver in hand, ready to shoot.«
    Seinen Fallschirm beerdigte er auf einem Acker. Der Bauernhof, zu dem das Feld gehörte, lag in einer Talsenke. Ein dichter Wald schloss sich an. Cosne-d’Allier war ein paar Kilometer entfernt über einen Feldweg erreichbar. Insgesamt ein ideales Gelände für den Absprung der Agenten aus England.
    Bei der Einsatzbesprechung, dem letzten Briefing vor dem Start, war Hélène und Hubert ihr Auftrag noch einmal erläutert worden. Beiden. Militärische und industrielle Ziele, die attackiert werden sollten von örtlichen Résistance-Einheiten, ebenso strategisch wichtige Brücken und Straßen standen auf der Liste, die im Futter von Nancy Wakes Handtasche eingenäht worden war. Die Codenamen ihrer Kontaktpersonen und die per Funk übermittelten Parolen, mit denen sie sich beim Maquis identifizieren mussten, lernten sie auswendig. Beide Agenten sprachen perfekt Französisch. Nancy Wake mit dem halbseidenen Jargon von Marseille aufgemischt, John Farmer das der Gebildeten in Anlehnung an die Dichter Frankreichs, die er zur Erweiterung seines Wortschatzes im Original gelesen hatte.
    Ihre Wegzehrung, die »Morgengabe« von zwei Millionen Francs, wurde zwar im Gepäck von Major Farmer verstaut. Aber falls ihm etwas zustieß, sollte Nancy Wake das Kommando übernehmen. Ihr trauten Buckmaster und Atkins mehr zu als dem dritten Mann des Unternehmens Freelance . Unter diesem Decknamen war die Aktion geplant. Dass entgegen üblicherweise in Notfällen geltenden Regeln einer Frau die Befehlsgewalt zugewiesen wurde, beruhte auf Buckmasters persönlichen Eindrücken und auf verschiedenen Beurteilungen in der Akte Wake, Nancy. Stets war da betont worden, dass sich ihre wesentlichen Eigenschaften – »strong, stubborn, determined, plucky« – vor allem in überraschenden Situationen zeigten und sie deshalb geeignet sei für Führungsaufgaben.
    Der dritte Mann hieß Denis Rake, beim jetzigen Kommandounternehmen als Funker von SOE eingesetzt unter dem Codenamen Roland,

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