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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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in London einen guten Bekannten kontaktiert, von dem er wusste, dass der beste Verbindungen hatte zum Geheimdienst. Der vermittelte ihn diskret zur Special Operations Executive und trotz – oder klugerweise gar wegen? – seiner schillernden Vergangenheit nahmen die ihn Wochen später unter Vertrag.
    Das Einstellungsgespräch, das etwa so ablief wie jenes von Nancy Wake im Victoria Hotel, glich dem Vorsprechen in seiner angestammten Welt, wenn er sich da um ein Engagement bewarb. Locker bestand er die Prüfung. Mehr noch: Aufgrund seiner bisherigen militärischen Laufbahn entfielen die Bedenken, die gegen Amateure aus dem Zivilleben eine Rolle spielten. Selbstverständlich musste auch er die Verpflichtung zur Geheimhaltung unterschreiben, selbstverständlich blieb auch ihm der harte Drill nicht erspart. Nur beim Fallschirmtraining durfte er sich mit Hinweis auf den einstigen Knochenbruch ausklinken.
    Aber auch für Nahkampf und Sabotage schien er nicht die erste Wahl zu sein, wie seine Ausbilder feststellten. Ein großes Talent jedoch entdeckten sie sofort bei ihm. Morsen und funken, kodieren und tippen fiel ihm so leicht, als hätte er bislang nie etwas anderes getan. Bald gehörte er in dem Fach nicht mehr zu den Schülern, sondern zu den Lehrern. Denis Rake war eine Naturbegabung am Funkgerät, weil er fünfzehn Wörter pro Minute schaffte. Zu morsen hatte er bereits als Student auf dem College gelernt, und dass er sich Texte merken konnte, in dem Fall Botschaften, egal, wie verwirrend und dunkel kodiert die auch klangen, war schließlich eine wesentliche Bedingung für seinen bisherigen Beruf. Als Schauspieler und Sänger hatte er viel und laufend Neues auswendig lernen müssen.
    Immer wieder in andere Rollen zu schlüpfen, was in jedem Geheimdienst von Vorteil ist, machte ihm ebenfalls keine Schwierigkeiten. Er brachte deshalb beste Voraussetzungen mit für einen Einsatz in Frankreich. Sprach zudem Deutsch und Französisch fließend wie seine Muttersprache Englisch, war als Ausbilder für Morsetechnik, was er im Schlaf zu beherrschen schien, vor allem bei seinen Schülerinnen wie Nancy Wake und Violette Szabo, Virginia Hall und Noor Inayat Khan, alle mal Rekruten in den Camps der Special Operations Executive , höchst beliebt. Bei ihm mussten sie, ganz im Gegensatz zu den anderen Kerlen im Camp, nicht jederzeit auf Avancen von Verliebtheit vorbereitet sein. Das spürten die Mädchen. »Humorvoll«, »eigenwillig«, »freundlich« sind laut Personalakte drei seiner wesentlichen Eigenschaften.
    Bei seinen Vorgesetzten aber galt er als unsicherer Kandidat. Nicht etwa wegen seiner Abneigung gegen Waffen oder weil in seiner Unterkunft nach einem anonymen Hinweis mal Betäubungsmittel gefunden wurden, die er aber, wie er beteuerte, nur gegen die ihn ab und an peinigende Schlaflosigkeit einnahm. Was die Militärs bei SOE verunsicherte, waren Denis Rakes besondere Neigungen. Er war schwul. Solange sie ihn unter Aufsicht hatten, ließ sich das steuern. Aber konnte man ihn auch losschicken nach Frankreich?
    Homosexualität in der Armee und erst recht in Zeiten, in denen Männer zuhauf auf engstem Raum agieren mussten, gab es offiziell nicht, wurde in Großbritannien jedoch schweigend toleriert, solange alle schwiegen. In anderen Zeiten nannte man diese Taktik das Don’t-ask-don’t-tell -Prinzip, mit dem sogar überzeugte Homophobe einigermaßen leben konnten. Er habe demonstrieren wollen, erklärte Denis Rake nach dem Krieg, damals vorübergehend in London als Butler in Diensten des amerikanischen Schauspielers Douglas Fairbanks jr., dass homosexuelle Männer genauso tapfer sein konnten wie heterosexuelle, manchmal sogar noch mutiger, eben weil sie stets die angesichts ihrer Neigungen bezweifelte Stärke glaubten demonstrieren zu müssen: War wohl so, gestand er im Ophüls-Film Le Chagrin et la Pitié , dass er wahrscheinlich tief im Innern, »deep down inside«, den dringenden Wunsch hatte, sich als so tapfer zu erweisen wie seine SOE -Freunde. »As a homosexual it was one of my great fears that I’d lack the courage for such things« – als Homosexueller hatte er große Furcht davor, dass es ihm an Mut für solche Dinge mangeln würde.
    Was er mit dem Mut »for such things« meinte, war das Silent-killing -Programm, das auch er während seiner Ausbildung durchlaufen hatte – zu töten, wenn es nötig war. Obwohl er beim Training stets betont hatte, wie sehr er körperliche Gewalt verabscheute, lernte er

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