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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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Frankreich zu schicken, war Buckmaster zwar bewusst. Aber er brauchte Experten wie ihn vor Ort. Nur per Funkverbindung ließen sich die Einsätze für die Fallschirmabwürfe von Waffen und Material so koordinieren, dass möglichst viel auch da ankam, wo es erwartet wurde, und nicht direkt beim Feind aufschlug.
    Einmal steckten zu dessen Verblüffung in einem konfiszierten Container nicht etwa wie erwartet Maschinenpistolen oder Revolver. Sondern zweihundert gefaltete Lampenschirme. Es wurde nie geklärt, ob die Absender per practical joke dem Feind einen Streich spielen wollten, also wussten, dass die eigentlich für die echten Container vorgesehenen Empfänger verhaftet worden waren. Oder ob es sich um eine Verwechslung beim Verpacken gehandelt hatte und die Schirme für ein anderes Ziel, einen anderen Zweck vorgesehen waren. Zum Beispiel aus Flugzeugen abgeworfen zu werden in hellen Scharen, was von unten betrachtet aussehen würde wie Fallschirme.
    Wireless Operator war ein gefährlicher Job. Ein Funker musste sich nicht nur einen geeigneten Platz für seine Übermittlungen suchen, musste mobil sein, Haus oder Umgebung laufend wechseln, nicht nur sein eigentliches Metier beherrschen, sondern auch selbst unter Stress seine Anlage auf- und abbauen können: Gerät, Batterie, Antenne. Sender und Empfänger – als transceiver bezeichnet, ein zusammengesetztes Kunstwort aus transmitter und receive r – wogen knapp fünfzehn Kilo. Modell A hatte eine Reichweite von knapp 650 Kilometern, war also ausreichend für die Distanz von Nordfrankreich nach England, Modell B 2 schaffte knapp 2500 Kilometer, was benötigt wurde für die Entfernungen von England nach Südfrankreich, nach Griechenland, nach Jugoslawien. Funken sollte Roland nur zu ganz bestimmten Uhrzeiten und auf bestimmten Frequenzen und mit bestimmen Codes, die ihm vor dem Einsatz zugeteilt worden waren und die täglich wechselten. Er wusste also, was ihn erwartete. Aber davor hatte er keine Angst.
    Allerdings wusste er nicht, wer ihn erwartete.
    Denn wie sich herausstellte, waren Buckmasters Befürchtungen berechtigt. Kaum angekommen in Frankreich, wegen der eingebauten Silberplatte nicht per Fallschirm, sondern sicher zu Boden gebracht von der Crew einer Lysander, die in Tempsford aufgestiegen war, ihn und sein Gerät auslud und sofort wieder startete, war Agent Roland erst einmal wieder in seine Rolle als Denis Greer geschlüpft. Hatte sich nicht sofort auf den Weg gemacht, um Hélène und Hubert zu treffen, wie es ihm vorgeschrieben war, sondern die Chance genutzt, »to have a last fling«,wie er einmal Nancy Wake gestand, eine letzte Affäre vor dem Abenteuer Krieg. Es könnte in diesen Zeiten ja tatsächlich immer die letzte sein. Eigentlich sollte Rake nach der Landung von einem ortskundigen Maquisard abgeholt und umgehend zu den vor ihm gelandeten Agenten in ein safe house in Cosne d’Allier gebracht werden, das einem Radiohändler gehörte. Doch aufgrund sich ergebender Verirrungen kam er da nie an.
    Alles war anfangs auch bei ihm verlaufen wie geplant. Start in einer mondhellen Nacht. Sichtflug über der Küste. Lichtsignale per Taschenlampe auf der provisorischen Landebahn. Reine Routine, oft trainiert. Spannend würde es erst nach der Landung werden. Aber anders als vermutet. Denn den Mann, der den Agenten Roland erwartete, den kannte er schon lange, hatte ihn jedoch seit ihrer ersten Begegnung im Lager Miranda in Spanien, wo beide 1942 ein paar Wochen inhaftiert gewesen waren als sogenannte feindliche Ausländer, nie mehr getroffen. Sein Deckname lautete Olive, er hieß in Wirklichkeit Alex Schwatschko. Zumindest steht er so verzeichnet in den Akten von SOE . Mag aber auch sein, dass dem Sachbearbeiter der in Berichten von Denis erwähnte Nachname Schokolowski zu kompliziert erschien. Nach seiner Freilassung tauchte Alex wieder in Frankreich unter, bei der Résistance, zunächst im spanisch-französischen Grenzgebiet als Fluchthelfer, inzwischen in der Auvergne als Agent für besondere Einsätze beim Maquis.
    Ausgerechnet Alex empfing nun mitten in der Nacht in einem fremden Land an einem fremden Ort, wo hinter jedem Busch der Feind lauern konnte, den Freund von einst. Er trug zur Tarnung die blaue Uniform der Milice Française , war zusätzlich ausgestattet mit einem gefälschten deutschen Pass und besaß außerdem einen schwarzen Citroën. Solche Autos wurden üblicherweise von der Gestapo benutzt, betrieben mit Benzin statt mit Holzkohle.

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