Codename Merlin - 3
diesen Titel nie gewollt, wirklich Glauben schenken würden. Aplyn-Ahrmahk selbst hingegen tat das sofort.
»Ich kann mich an etwas erinnern, was der König − König Haarahld, meine ich − mir einmal gesagt hat«, sagte er nun zu dem Veteranen mit dem schwarzen Bart, den mehr und mehr weiße Haare durchzogen. »Er hat gesagt, es gibt eigentlich nur zwei Arten von Offizieren − oder von Adligen. Die einen sind davon überzeugt, der Rest der Welt schulde ihnen etwas, einfach dafür, dass sie sind, wer oder was sie sind. Und die anderen sind der Ansicht, sie würden dem Rest der Welt etwas schulden, und zwar aus genau dem gleichen Grund. Ich weiß genau, zu welchen von beiden Seine Majestät gehört hat. Und ich glaube, für Sie gilt das Gleiche.«
»Das ist ein Kompliment, das ich in Ehren halten werde, Euer Durchlaucht«, sagte Hanth und blickte auf den jungen Burschen herab, der ihn mit ernster Miene anschaute. »Und, wenn Sie mir gestatten, das so auszudrücken: Ich denke ich weiß auch bereits, zu welcher Art Sie einst gehören werden.«
»Ich will es zumindest versuchen«, erwiderte Aplyn-Ahrmahk. »Und ich hatte ein gutes Vorbild. Das beste Vorbild, das sich nur denken lässt.«
»Ja. Ja, das hatten Sie«, pflichtete Hanth ihm bei, und dann entschied er, nur für einen einzigen Moment solle das ganze Protokoll, das er und der junge Aplyn-Ahrmahk immer noch zu erlernen bemüht waren, doch zu Shan-wei fahren. Er legte den Arm um die gestrafften, schlanken Schultern des Midshipman, und so standen die beiden dort, Seite an Seite, und blickten in die jubelnden Gesichter all der namenlosen Untertanen.
.VII.
Königlicher Palast, Stadt Tellesberg, Königreich Charis
»Also, Merlin, welche interessanten Dinge habt Ihr in letzter Zeit gesehen?«
König Caylebs Lippen waren zu einem schiefen Grinsen verzogen, als er mit seiner Leibgarde auf dem Balkon des Palastes stand und zuschaute, wie die Nacht hereinbrach. Cayleb pflegte häufig in seinen Privatgemächern zu speisen, und sein Kammerdiener, Gahlvyn Daikyn, hatte gerade das Abräumen des Esstisches beaufsichtigt. Schon bald würde er zurückkehren und auch Caylebs Vorbereitungen für die Schlafenszeit überwachen. Weder Cayleb noch sein Vater hatten jemals einen Sinn darin gesehen, eine ganze Armee persönlicher Diener zu beschäftigen, wie es bei anderen Regenten üblich war − vor allem auf dem Festland −, sodass wirklich jegliches Bedürfnis erfüllt wurde, doch Daikyn kümmerte sich um Cayleb schon seit der junge König von Charis ein kleiner Junge gewesen war. Und diesem Kammerdiener abzugewöhnen, sich auch persönlich zu vergewissern, dass ›der junge Herr‹ sich die Zähne geputzt hatte, bevor er zu Bett ging, erwies sich als deutlich größere Herausforderung als diese Bagatelle, sich der ›Vierer-Gruppe‹ entgegenzustellen!
Nun schüttelte Cayleb den Kopf − ein wenig verärgert, aber doch zugleich auch voller Zuneigung zu seinem alten Faktotum. Dann sog er tief die Nachtluft in die Lunge, während Merlin und er gemeinsam auf die Hauptstadt hinabblickten. Was auch immer im Tempel geschehen mochte und in den Sälen der Diplomatie auf ganz Safehold besprochen wurde: Am Kai von Tellesberg herrschte hektisches Treiben. Die Zerstörung der feindlichen Flotte hatte den Handelsschiffen die Freiheit gebracht, die bislang dicht gedrängt im Hafen vor Anker gelegen und tatenlos den Ausgang der Schlacht abgewartet hatten. Nun waren alle Schiffseigner erpicht, wieder in See zu stechen und die Waren auszuliefern, die sich in den Lagerhäusern von Tellesberg angehäuft hatten. Und die Möglichkeit, die Häfen von Haven und Howard könnten schon bald für sie unerreichbar sein, treibt sie gewiss noch zusätzlich an, sinnierte Merlin. Sie wollen ihre Fracht so schnell wie möglich an Land bringen, sie verkauft und bezahlt wissen, bevor ein Embargo verhängt wird.
Es dürfte interessant werden zu sehen, ob Howsmyns Prognosen, was die Handelswege betrifft, sich als richtig erweisen, dachte er.
»Ich habe sogar eine ganze Menge ›interessanter Dinge‹ gesehen«, sagte er dann mit sanfter Stimme. »Ich hatte die Absicht, einen Großteil davon für Bynzhamyn niederzuschreiben. Ich mutmaße, Ihr wünscht eine Zusammenfassung?«
»Ihr mutmaßt richtig.«
Cayleb drehte sich herum, lehnte sich gegen die hüfthohe Balustrade des Balkons und stützte den Ellbogen darauf; dann schaute er Merlin geradewegs an. Natürlich hatte der junge König noch nie von
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