Codename Sparta 01 - Die Sternenkoenigin
Handschuhs vielleicht oder das Kratzen eines Schuhs auf Metall. Dann hatte sie es geortet: Ihr Opfer befand sich im Frachtcontainer A. Es war niemand, den sie erwartet hatte.
Wenn nicht Sylvester im Laderaum war, mußte es einer ihrer Agenten sein. Auf keinen Fall Nancybeth, sie war in ihrer gesamten physischen Erscheinung noch ein Kind und daher gar nicht in der Lage, sich für mehr als eine Minute auf etwas anderes zu konzentrieren als ihre eigenen Bedürfnisse und Vergnügungen. Man hatte sämtliche Übertragungen von und zur Helios streng überwacht, es mußte also jemand von der Helios sein. Jetzt wußte Sparta, daß sie dumm gewesen war …
Schwerelos kroch sie durch den Korridor des Versorgungsdecks, alle ihre erweiterten Sinne waren aufs höchste erregt. Sie schob sich durch die offenstehende Luke der Laderaumluftschleuse, bis ihr Gesicht nur noch Zentimeter von der Außenluke von Laderaum A entfernt war. Sie bewegte sich so leise sie konnte, sie tastete sich nur mit dem Druck ihrer Fingerspitzen bis in die Luke vor.
»Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben«, sagte er. Seine Stimme klang so warm wie zuvor, aber diesmal wirkte sie tiefer und gefestigter. Er war ganz in der Nähe. »Ich mußte unbedingt etwas herausfinden.«
Sie fand seine Beherrschung außergewöhnlich. Hätte sie einen Abdruck seiner Stimme gemacht, hätte er bestimmt keine Spur von Unsicherheit gezeigt.
Sie hielt auf der Stelle an, wagte nicht zu atmen und dachte nach. Sie konnte ihn hören und riechen, sie wußte in etwa, wo er steckte, aber sie war unbewaffnet, und sehen konnte sie ihn auch nicht.
»Sie brauchen sich nicht zu zeigen«, sagte er. »Ich weiß nicht genau, wo Sie sind, aber ich nehme an, Sie können mich deutlich hören. Lassen Sie mich erklären.«
Einige Sekunden verstrichen, während sie sich näher an die Innenluke heranschob. Die Dunkelheit im Innern des Laderaums wirkte kalt und schwarz, zumindest in dem Teil, den sie übersehen konnte, nur einige Stellen, die er berührt hatte, glommen rot.
Ihre Verteilung verriet, hinter was er her war – die Stelle, wo die Styrenkiste mit dem Buch gestanden hatte, war eine kalte, leere Höhle.
»Ich gehe einfach mal davon aus, daß Sie bereit sind zuzuhören«, sagte er.
Jetzt hatte sie ihn lokalisiert, aber immer noch nicht so präzise, wie sie es sich gewünscht hätte. Er lauerte innen gleich hinter der Luftschleuse. Das Geräusch, das sie gehört hatte, stammte wahrscheinlich von seiner Hand oder seiner Hüfte, die leicht gegen die Ummantelung des Laderaums gestreift war – kaum ein oder zwei Fuß von ihrem Kopf entfernt. Sie mußte dafür sorgen, daß er weiterredete, weiterredete und sich dabei so bewegte, wie man es normalerweise beim Reden macht, er mußte noch eine halbe Minute weiterreden, dann würde sie wissen, wo sie zupacken mußte …
»Ich mußte mir das Buch unbedingt ansehen, bevor Sie die Erlaubnis zum Ausladen geben«, sagte er. »Sie haben zwar gesagt, es wäre hier, aber ich mußte wissen, ob Sie das echte Buch gesehen haben. Sie sind schließlich kein Experte, ich schon.«
Sie schob sich noch näher heran, sie atmete so vorsichtig ein und aus, daß es außer ihr selbst unmöglich jemand hören konnte. Sie war jetzt so nah, daß sein Atem als warme Dunstwolke sichtbar wurde, die sich langsam rhythmisch in der dunklen Luft hinter der Schleuse bewegte.
Dreißig Zentimeter weiter in der Dunkelheit begann er zu erklären: »Es ist durchaus vorstellbar, daß jemand mit genügend Zeit und Geld ein Buch aus den Anfängen des 20. Jahrhundert gefälscht hat. Erst einmal müßte er Leute finden, die in Metalltypen setzen können – und Drucker, die bereit wären, ein Buch auf die alte Art Zeile für Zeile zu drucken, und das bei einem Text von mehr als 300.000 Wörtern. Und sie hätten die Typen gießen müssen; selbst wenn der Betreffende sehr geschickt wäre, würde das Monate dauern, es sei denn, die Originaltypen existierten noch und man käme an sie heran. Dann hätten sie das richtige, alte Papier finden oder reproduzieren müssen, mit Wasserzeichen und allem Drum und Dran. Dann kommt das Binden, die marmorierte Schutzhülle, der Ledereinband … stellen Sie sich das handwerkliche Geschick, das unglaubliche Können vor!«
Er schien Sparta vorübergehend vergessen zu haben, während er leidenschaftlich diesen Gegenstand, dieses eigenartige, alte Buch beschrieb.
Sie zögerte, dann flüsterte sie so leise, daß nur er es hören konnte. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher