Codename Sparta 01 - Die Sternenkoenigin
wieder abgeholt werden. Jeder war durch eine eigene Luftschleuse mit dem Mittelschaft der Sternenkönigin verbunden, konnte aber auch von außen über Druckschleusen erreicht werden. Die Frachträume waren alle in einzelne Abteilungen unterteilt, die je nach Art der Ladung unter Druck gesetzt oder im Vakuum belassen werden konnten.
Am anderen Ende der Mittelverstrebung des Schiffes befanden sich mit flüssigem Wasserstoff gefüllte Tanks, die den massigen Zylinder des Reaktorkerns des atomaren Triebwerkes umgaben. Trotz massivsten Strahlenschutzes war das Heck des Schiffes für gelegentliche Besuche lebender Wesen alles andere als geeignet – was an Arbeit dort unvermeidlich war, wurde von Robotersystemen durchgeführt.
Obwohl es ein reines Nutzfahrzeug war, besaß die Sternenkönigin einen Hauch von Eleganz, die Eleganz einer Form, die aus der Funktion erwächst. Von der Steuerrakete und den Antennen der Kommunikationssysteme einmal abgesehen, hatten die Formen, aus denen man sie zusammengesetzt hatte, eins gemeinsam: ihre geometrische Reinheit; und in ihrem Überzug aus elektronisch versiegelter Farbe schimmerte sie in flirrendem Weiß.
Seit drei Tagen waren die Inspektoren der Raumkontrollbehörde dabei, das überholte Schiff durchzusehen, und schließlich erklärten sie es für raumtauglich. Die Sternenkönigin wurde rechtzeitig wieder in den Dienst gestellt. Ihr Starttermin wurde bestätigt. Schwertransporter brachten ihre Ladung von der Erde herauf; andere, kleinere Pakete wurden, vom Zoll versiegelt, einem Kurier mitgegeben.
Captain Lawrence Wycherly bestand die Prüfung durch die Behörde nicht. Eine Woche vor dem Start entdeckten Flugärzte, was Wycherly mit nervenstärkenden Präparaten, die er aus Quellen in Chile bezog, hatte verbergen wollen: Er litt an einem unheilbaren Zerfall des Kleinhirns. Die Virusinfektionen und anderen kleineren Krankheiten, die ihn geplagt hatten, waren lediglich Symptome eines allgemeinen Versagens der Homeostasis. Daß die Drogen seine Krankheit beschleunigt haben konnten, kümmerte ihn nicht. Wycherly war sich darüber im klaren, daß er ein toter Mann war, doch er wollte unbedingt noch das Geld verdienen, das ihm dieser letzte Auftrag einbrachte, denn ohne es würde seine zukünftige Witwe ihr Haus wie auch alles andere verlieren.
Die Raumkontrollbehörde setzte den Sitz der Pavlakis-Linie in Athen davon in Kenntnis, daß auf der Sternenkönigin ein Captain fehlte und daß man ihre Starterlaubnis zurückgezogen hatte, bis ein qualifizierter Ersatz gefunden war. Gleichzeitig informierte die Behörde routinemäßig die Versicherer des Schiffs sowie alle Firmen und Privatpersonen, die Fracht an Bord des Schiffes hatten.
Nikos Pavlakis erfuhr die entsetzliche Nachricht erst, als er in Heathrow den Überschalldüsenjet verließ. Er war auf dem Weg von Athen durch ›technische Schwierigkeiten‹ aufgehalten worden (die Stewards machten Dienst nach Vorschrift, um gegen die im Besitz der Regierung befindliche Fluglinie zu protestieren). Hinter der Scheibe der Paßkontrolle funkelte ihr bereits Miss Sofan an. Unter ihren drahtigen, gelben Haare wirkten ihre schwarzgemalten Augen wie die einer Rachegöttin. »Das hier ist von Ihrem Vater«, fauchte sie ihn an, als er in Reichweite war, und drückte ihm das Papier aus Athen in die Hand.
Vorübergehend, aber nur vorübergehend, sah es so aus, als hätte sich der heilige Georg gegen Nikos Pavlakis gekehrt. Die nächsten 24 Stunden verbrachte Pavlakis, aufrechtgehalten durch ungefähr ein Kilo Zucker, das er in mehreren Litern türkischen Kaffees aufgelöst hatte, am Radio- und Telefunk, und dann geschah das Wunder.
Weder Gott noch der heilige Georg hatten einen Piloten zur Verfügung stellen können. So ein Glück hatte er nicht, denn Pavlakis konnte keinen qualifizierten Piloten auftreiben, der rechtzeitig für den Start der Sternenkönigin aus seinen Verpflichtungen oder laufenden Verträgen freikäme. Es war kein Heiliger, der das sofortige Abfallen einiger der auf der Ladeliste verzeichneten Frachtpartner verhindert hatte – und zwar derjenigen, für die das Eintreffen ihrer Ladung in Port Hesperus nicht zeitkritisch war, oder deren Ladung leicht irgendwo anders verkauft werden konnte. Bilbao Atmospherics luden sogar jetzt noch ihre Tonne flüssigen Stickstoffs aus Frachtcontainer B aus, und eine wertvolle Ladung Kiefernsamen, der größte Teil der Ladung aus Frachtraum A, war bereits von den Silvawerken in Stuttgart
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