Codename Sparta 01 - Die Sternenkoenigin
Verkleidungsteil abgebildet war. »So wie es uns erwischt hat, muß das verdammte Ding praktisch im rechten Winkel eingeschlagen sein. Aus jeder anderen Richtung hätte es keine lebenswichtigen Funktionen treffen können.« Grant schwang sich herum und saß jetzt mit dem Gesicht zum Steuerpult und den großen Fenstern des Steuerdecks, die in die Sternennacht hinaussahen. Was geschehen war, war ernst todernst –, aber es mußte nicht unbedingt tödlich sein. Schließlich hatten sie bereits fast die Hälfte der Reise hinter sich. »Bist du soweit wieder in Ordnung, daß du mithelfen kannst?« fragte er. »Wir müssen ein paar Zahlen durchrechnen.«
»Bin ich.« McNeil schwang sich auf den Arbeitsplatz des Ingenieurs.
»Dann gib mir die Zahlen für die Gesamtreserven durch, jeweils den günstigsten und den ungünstigsten Wert. Die Luft in Laderaum A. Die Notreserven. Und vergiß nicht, was in den Tanks der Anzüge ist und in den tragbaren O-2-Packs.«
»In Ordnung«, sagte McNeil.
»Ich rechne inzwischen den Massenquotienten aus. Mal sehen, ob es uns etwas bringt, wenn wir die Laderäume abstoßen und versuchen, so schnell wie möglich anzukommen.«
McNeil zögerte und murmelte, »Äh …«
Grant wartete. Aber was immer McNeil hatte sagen wollen, er hatte sich eines Besseren besonnen. Grant atmete einmal tief durch. Er führte hier das Kommando, und er hatte das Offensichtliche bereits erkannt – wenn sie die Ladung über Bord warfen, wären die Besitzer trotz der Versicherung aus dem Geschäft, und die Versicherer würden höchstwahrscheinlich im Armenhaus landen. Aber schließlich ging es doch darum, eine Entscheidung zwischen zwei Menschenleben und ein paar Tonnen toter Materie zu fällen, und damit blieben eigentlich nicht allzu viele Fragen offen.
Im Augenblick hatte Grant das Schiff etwas sicherer in seiner Gewalt als sich selbst. Er war ebenso verärgert wie verängstigt – verärgert, weil McNeil zusammengebrochen war, verärgert, weil die Ingenieure des Schiffes eine Chance von eins zu einer Milliarde mit dem Unmöglichen gleichgesetzt und es aus diesem Grunde versäumt hatten, am Unterteil der Kommandokapsel einen zusätzlichen Meteoritenschutz anzubringen. Aber bis zum absoluten Ende der Sauerstoffreserven waren es mindestens noch zwei Wochen, und bis dahin konnte noch eine Menge passieren. Zumindest für den Augenblick half dieser Gedanke, die Ängste etwas im Zaum halten zu können.
Hier handelte es sich ohne Zweifel um einen Notfall – aber es war einer dieser merkwürdig ausgedehnten Notfälle, die einmal für Seereise charakteristisch gewesen waren, heutzutage jedoch eher für den Weltraum; einer dieser Notfälle, in denen man reichlich Zeit zum Nachdenken hatte. Vielleicht sogar zuviel.
Grant erinnerte sich an einen alten kretischen Seemann, den er im Pavlakis’ Halle in Heathrow kennengelernt hatte, irgendeinen uralten Verwandten des Alten, der zu einem Höflichkeitsbesuch dort war und der ein Publikum aus Büroangestellten und Mechanikern mit der Geschichte seiner verhängnisvollen Seereise als junger Mann auf einem Frachter im Roten Meer in Atem gehalten hatte. Der Kapitän des Dampfers hatte aus unerklärlichen Gründen vergessen, sein Schiff mit ausreichend Trinkwasser für Notfälle zu versehen. Erst fiel das Funkgerät aus, dann die Maschinen. Wochenlang trieb das Schiff dahin, bis es die Aufmerksamkeit vorbeifahrender Schiffe erregte. Mittlerweile war die Mannschaft dazu übergegangen, das Frischwasser mit Salzwasser zu strecken. Der alte Kreter gehörte zu den Überlebenden und mußte nur ein paar Wochen in einem Krankenhaus verbringen. Andere hatten nicht soviel Glück; sie waren bereits am Durst und an einer Salzvergiftung elend zugrunde gegangen.
So sind diese Langzeitunglücksfälle: Irgend etwas Unvorhergesehenes geschieht, es wird durch ein zweites, ebenso unwahrscheinliches Ereignis kompliziert, und ein drittes fordert bereits das erste Menschenleben.
McNeil hatte die Sache grob vereinfacht, als er sagte, die Sternenkönigin müßte damit rechnen, einmal in hundert Jahren von einem Meteoriten getroffen zu werden. Die Frage hing von so vielen Faktoren ab, daß drei Generationen von Statistikern mit ihren Computern praktisch nur ein paar Regeln hatten aufstellen können. Selbst die waren aber immer noch so vage, daß die Versicherungsgesellschaften schon vor Angst zitterten, wenn riesige Meteoritenschwärme wie Sturmböen durch die Umlaufbahnen der inneren Planeten
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