Codename Sparta 01 - Die Sternenkoenigin
zur Selbsterhaltung. Und McNeil hatte sie nicht nur erlernt, sondern zur Perfektion gebracht. Er konnte selbst Trockenmilch oder auch dem Saft eines rehydrierten Beefsteaks eine pikante Soße entlocken, zudem hatte er seinen eigenen Vorrat an Kräutern mitgebracht. Selbst Tiefgefrorenem entlockte er noch mit seinen Öl- und Essigkaraffen etwas Geschmack.
Für Grant war Essen ein notwendiges Übel, das man so schnell wie möglich hinter sich bringen mußte. Seine Kocherei spiegelte diese Haltung wider. McNeil hatte schon lange aufgegeben, deswegen zu murren, um so verwunderter war er dann, als er sah, mit welcher Mühe Grant dieses bescheidene Abendessen vorbereitete.
Sie trafen sich wie gewöhnlich wortlos – nur die Schranken der Höflichkeit und der Gewohnheit hinderten sie daran, sich ihre Tabletts zu schnappen und sich in ihre eigenen Gefilde zurückzuziehen. Statt dessen schwebten sie zu beiden Seiten des kleinen praktischen Tisches, darauf bedacht, den anderen nicht aus den Augen zu lassen, ohne ihn jedoch direkt anzusehen. Wenn McNeil im Verlauf des Essens bei Grant eine steigende Nervosität bemerkte, sagte er kein Wort. Tatsächlich aßen sie schweigsam. Die Möglichkeit einer lockeren Unterhaltung war ohnehin schon seit langem erschöpft. Der letzte Gang, ein Eintopf aus Mais und Bohnen, war in den Schalen serviert worden, deren Ränder nach innen gebogen waren, so daß nichts verlorengehen konnte. Anschließend räumte Grant die Reste weg und schwebte in die Kombüse nebenan, um Kaffee zu machen.
Er brauchte recht lange, wenn man bedachte, daß es sich wie immer um löslichen Kaffee handelte – denn im letzten Augenblick geschah etwas vollkommen Verrücktes. Er wollte kochendes Wasser von einem Behälter in den anderen drücken, als er sich mit einem Blick auf die beiden heißen Flüssigkeitskolben an einen alten Stummfilm erinnerte, den er irgendwann einmal auf Video gesehen hatte. Dort trat ein Clown auf – Charlie Soundso –, der immer eine Melone und einen komischen Schnäuzer trug. In diesem Film versuchte er, seine ungeliebte Frau zu vergiften. Nur hatte er versehentlich die Gläser vertauscht.
Keine Erinnerung wäre ihm jetzt weniger willkommen gewesen. Grant bekam beinahe einen hysterischen Kicheranfall. Wenn der belesene McNeil gewußt hätte, was in Grants Hirn vor sich ging, hätte er vielleicht angedeutet, daß Grant von Poes ›Alp der Perversheit‹ befallen worden wäre, jenem Dämon, der sich daran ergötzt, den Grundsätzen der Selbsterhaltung zu trotzen.
Gut eine Minute verstrich, bis Grant zitternd die Kontrolle über sich zurückgewann. Seine Nerven befanden sich in einem schlimmeren Zustand, als er gedacht hatte.
Aber er war überzeugt, äußerlich zumindest ganz ruhig zu wirken, als er die beiden Plastikbehälter und ihre beiden Trinkhalme hineintrug. Jetzt bestand keine Gefahr mehr, sie zu verwechseln: auf dem des Ingenieurs stand in großen Buchstaben MAC. Er schob ihn McNeil herüber und beobachtete dann fasziniert – wobei er seine Faszination zu verbergen suchte –, wie McNeil mit dem Behälter spielte. Er schien es nicht sonderlich eilig zu haben; er starrte trübsinnig vor sich hin. Dann endlich setzte er den Trinkhalm an und nippte –
– und spuckte alles sofort wieder aus. Er starrte den Trinkkolben entsetzt an. Eine eiskalte Hand umfaßte Grants Herz. McNeil räusperte sich, drehte sich zu ihm um und sagte ganz ruhig. »Also Grant, wenigstens hast du den Kaffee einmal richtig gemacht. Aber leider auch sehr heiß.«
Ganz langsam nahm Grants Herz wieder die unterbrochene Arbeit auf. Er traute sich nicht, etwas zu sagen, aber wenigstens brachte er ein unverfängliches Nicken zustande.
McNeil parkte den Kolben vorsichtig mitten in der Luft, wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Sein fleischiges Gesicht nahm einen grüblerisch-nachdenklichen Ausdruck an, so als wägte er seine Worte für eine wichtige Ankündigung ab.
Grant fluchte innerlich, weil er den Kaffee so heiß gemacht hatte. Genau diese Kleinigkeiten wurden Mördern leicht zum Verhängnis. Und wenn McNeil noch länger mit dem wartete, was er zu sagen hatte, verriet sich Grant wahrscheinlich durch seine Nervosität.
Nicht, daß das McNeil jetzt noch etwas nützen würde.
Endlich sprach McNeil. »Ich nehme an, dir ist aufgefallen«, sagte er ruhig und beiläufig, »daß für einen von uns noch genug Luft bis zur Venus vorhanden ist.«
Grant mußte mit aller Gewalt seine überdrehten Nerven
Weitere Kostenlose Bücher