Codename Sparta 01 - Die Sternenkoenigin
zerknüllte er den Brief in seiner Hand. Und schließlich akzeptierte er den Gedanken, der anfangs nur ein unwillkommener Eindringling, später eine beiläufige Überlegung gewesen war. McNeil hatte seine Chance bekommen und hatte sich durch diesen unglaubliche Selbstsucht ihrer unwürdig erwiesen.
Also gut – dann konnte er auch sterben.
Selbst dem stümperhaftesten Amateurpsychologen wäre das Tempo aufgefallen, mit dem Grant zu diesem selbstgerechten Entschluß kam. Er hatte sich erst beweisen müssen, daß es keinen Sinn hatte, das Ehrenhafte zu tun und irgendein Glücksspiel vorzuschlagen, daß beiden die gleiche Überlebenschance ließ. Hier war die Entschuldigung, nach der er gesucht hatte, und er ergriff sie mit beiden Händen. Jetzt konnte er den Mord an McNeil ganz nach seinem persönlichen Moralkodex planen und ausführen.
Eine Mischung aus Erleichterung und Haß trieb Grant wieder in seine Kabine. Jedes Wölkchen des Tabakaromas war Balsam für sein Gewissen.
McNeil hätte Grant sagen können, daß er ihm wieder einmal bitter unrecht tat. Der Ingenieur war seit Jahren ein starker Raucher gewesen – wenn auch wider besseres Wissen. Und er war sich auch darüber im klaren, daß er damit für die Mehrzahl von Leuten eine Belästigung darstellen mußte, die seinen Qualm nicht einatmen wollten. Er hatte versucht aufzuhören – es war ganz einfach, wie er manchmal spöttelte, schließlich hatte er es schon oft gemacht –, aber in Augenblicken der Anspannung griff er immer wieder nach diesen stinkenden Papierstengeln. Er beneidete Grant, der zu der Sorte Männer gehörte, die eine Zigarette rauchen konnten, wenn ihnen danach war, die sie aber auch ohne Bedauern weglegen konnten. Er fragte sich, wieso Grant überhaupt rauchte, wenn er nicht mußte. War das vielleicht eine Art symbolischer Rebellion …?
Wie auch immer, McNeil hatte ausgerechnet, daß er sich zwei Zigaretten pro Tag leisten konnte, ohne daß er auch nur den geringsten meßbaren Unterschied in der Menge der Atemluft erzeugte. Welchen Luxus diese sechs oder sieben Minuten, zweimal am Tag bedeuteten – eine spätabends, eine am Vormittag, ganz weit unten im Mittelgang des Schiffes versteckt –, überstieg aller Wahrscheinlichkeit nach jegliche Vorstellungskraft eines Peter Grant und trug außerordentlich zu Angus McNeils geistigem Wohlbefinden bei. Obwohl die beiden Zigaretten keinerlei Unterschied in bezug auf den Sauerstoffvorrat machten, für McNeils Nerven waren sie beinahe lebensnotwendig und trugen so indirekt auch zu Grants Seelenfrieden bei.
Aber es hatte keinen Sinn, Grant das erklären zu wollen. Also rauchte McNeil für sich alleine und übte sich dabei in einer Selbstkontrolle, die an sich schon überraschend angenehm, wenn nicht gar wollüstig war.
Hätte McNeil von Grants Schlaflosigkeit gewußt, hätte er nicht einmal diese Zigarette spätabends in seiner nicht verschlossenen Kabine riskiert …
Für jemanden, der sich erst vor einer Stunde zum Mord entschlossen hatte, ging Grant bemerkenswert methodisch vor. Ohne großes Zögern schwebte Grant leise an der Trennwand seiner Kabine vorbei und quer durch den abgedunkelten Aufenthaltsbereich zu dem in die Wand eingelassenen Medizinkasten in der Nähe der Kombüse. Nur ein gespenstisch blaues Sicherheitslicht erhellte das Innere des Kastens, in dem Röhrchen, kleine Flaschen und Instrumente mit Velcrobändern sicher in den gepolsterten Fächern gehalten wurden. Die Ausrüster hatten für sämtliche denk- oder vorstellbaren Notfälle Instrumente und Medikamente zur Verfügung gestellt.
Hinter dem Halteband steckte ein winziges Fläschchen, dessen Bild all die Tage tief unten in Grants Unterbewußtsein verborgen gewesen war. In dem blauen Licht konnte er die feine Schrift auf dem Etikett nicht lesen – außer dem Schädel mit den gekreuzten Knochen konnte er nichts erkennen –, aber er kannte den Text auswendig: »Etwa ein halbes Gramm führt unverzüglich den beinahe schmerzlosen Tod herbei.«
Schmerzlos und unverzüglich – gut. Noch besser war etwas, das auf dem Etikett gar nicht erwähnt wurde. Das Zeug war geschmacklos.
Der größte Teil eines weiteren Tages verstrich.
Der Unterschied zwischen den von Grant zubereiteten Gerichten und denen, die McNeil sorgfältig und mit bemerkenswertem Geschick zusammenstellte, war verblüffend. Jeder, der gerne gut aß und der einen Großteil seines Lebens im Raum verbrachte, sah im Erlernen der Kochkunst ein Mittel
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