Codename Sparta 02 - Das Venusraetsel
Für Lindas Eltern jedoch hatte Genie, oder der Entwicklungsprozeß, der dazu führte, nichts Magisches an sich. Es war alles nur eine Frage sorgfältig durchdachten Trainings in einer entsprechend günstigen Umgebung. Lange Zeit war Linda die einzige, an der man Ziele und Methoden des Projektes SPARTA demonstrieren konnte. Die Leistungen des damals noch jungen Mädchens waren so außergewöhnlich, daß ihre Eltern das Projekt Anlegern und weiteren Kandidaten schmackhaft machen konnten. Blake war noch als kleiner Junge einer der ersten neuen Studenten geworden.
SPARTA wurde jedoch einige Jahre später aufgelöst, als seine Gründer angeblich bei einem Helikopterunfall ums Leben kamen. Zu jener Zeit waren Blake und die meisten anderen bereits Teenager, und so trennten sich ihre Wege; sie besuchten Colleges und Universitäten in aller Welt. Linda jedoch war verschwunden. Von ihr blieben nur vage Gerüchte, nach denen sie geistig wirr und zum Krüppel geworden war.
Aus Blake wurde ein gutaussehender junger Mann, der von seinem Vater das energische Kinn und den breiten Mund der keltischen Iren und von seiner Mutter die hohen Wangenknochen und die leuchtend braunen Augen eines Mandarins geerbt hatte. Ein paar Sommersprossen auf seiner Nase und ein leichter rotbrauner Schimmer in seinen ansonsten schwarzen Haaren verhinderten, daß er allzu teuflisch gut aussah.
Seine Interessen waren weit gestreut, jedoch erlangte er schon als junger Mann einen guten Ruf als Kenner alter Bücher und Manuskripte. Seine fachliche Meinung war so geschätzt, daß er häufig von Bibliotheken, Auktionshäusern und Händlern zu Rate gezogen und entsprechend entlohnt wurde. Bereits mit Anfang Zwanzig nahm er ein Angebot des Londoner Büros von Sotheby’s an.
Blakes Beschäftigung verschaffte ihm eine ausgezeichnete Grundlage, auf der sich alle möglichen Dinge untersuchen ließen, nicht nur alte Bücher. Als er dann Linda völlig unerwartet in Manhattan begegnete und merkte, daß sie nicht erkannt werden wollte, beschloß er, mehr über die Ursprünge des Projekts SPARTA herauszufinden. Vieles hatte er als selbstverständlich hingenommen, und plötzlich begann er, immer weitere seltsame Zufälligkeiten aufzuspüren, die er nicht länger ignorieren konnte …
An seinem letzten Abend in Manhattan, bevor er nach London ging, gaben seine Eltern ihm zu Ehren eine Party. Zumindest war dies der offizielle Anlaß; Blake kannte kaum einen der Gäste, auch wenn er sie aus den Gesellschaftsspalten und den Propaganda-Viddies kannte. Vielleicht wollten ihm seine Eltern auf nicht allzu subtile Weise zu verstehen geben, daß sie etwas mehr von ihm erwarteten als seine Leidenschaft für alte Bücher.
Blake trank nur selten Alkohol, aber um sich seinen Eltern gegenüber erkenntlich zu zeigen, hatte er immer ein volles Glas des sehr teuren Chardonnays in der Hand, den sie extra für ihn aus dem Keller geholt hatten. Einen großen Teil des Abends verbrachte er am Fenster damit, in die Nacht hinauszustarren, derweil die Partygäste hinter ihm sich dem üblichen Partygeplauder hingaben. Die Redfields besaßen in der Battery ein Penthouse im neunundachtzigsten Stock eines Apartmenthauses. Die Südseite war ganz aus Glas, und man hatte einen herrlichen Blick über den alten New Yorker Hafen. Weit unten funkelten in dem ehemaligen ansonsten dunklen Hafen etliche Lichtpunkte, das waren die riesigen Erntemaschinen, die auf dem unaufhaltsam wachsenden Algenteppich trieben, der sich bis vor die Küste von New Jersey ausbreitete. Schnurgerade Linien schwarzen Wassers durchzogen die verfilzte Oberfläche aus Algen.
»Sie sind also Mr. Redfield? Der Junior?«
Blake drehte sich um und sagte höflich: »Mein Name ist Blake, richtig.« Er nahm sein Glas vorsichtig in die linke Hand und hielt seine rechte hin.
»Ich heiße John Noble. Nennen Sie mich ruhig Jack.« Der untersetzte Mann hatte einen sandfarbenen Bürstenhaarschnitt und trug einen Nadelstreifenanzug. Als sie sich die Hände schüttelten, sagte er: »Ich habe mich schon darauf gefreut, Sie kennenzulernen, Mr. Redfield.«
»Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Wegen SPARTA. Ihre Eltern waren doch sicher stolz, daß man Sie aufgenommen hat. Ich habe damals eine Menge über Ihre aufsehenerregenden Fortschritte gehört.« Nobles tiefliegende Augen wurden zu stechenden, kalt funkelnden Punkten. »Um ehrlich zu sein, ich wollte einfach sehen, was aus Ihnen geworden ist.«
»Also bitte« – Blake breitete
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