Codename Sparta 02 - Das Venusraetsel
damit ich ruhig bin?«
»Ich meine es ernst.«
»Also gut, das Übliche. Damals in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts hat ein gewisser Louis Lagrange das sogenannte Dreikörperproblem studiert. Dabei entdeckte er, daß es in einem System zweier Massen, die umeinander kreisen – also zum Beispiel Erde und Mond –, in dem sie umgebenden Raum gewisse gravitationsstabile Punkte gibt, so daß ein dort installierter Körper vermutlich auch dort bleiben würde.« Brick machte eine Pause. »Unterbrechen Sie mich, wenn Sie das alles schon gehört haben.«
»Das ist schon lange her. Ich kann die Auffrischung gut gebrauchen.«
»Also gut, drei dieser sogenannten Lagrangepunkte liegen auf der Achse zwischen den beiden Massen und sind nur zum Teil stabil: Setzt man einen Körper – etwa uns – entlang dieser Achse einer Kraft aus, kann er leicht abstürzen. In unserem Fall entweder zur Erde oder zum Mond. Die zwei anderen Punkte, die auf einer Umlaufbahn der kleineren um die größere Masse liegen, allerdings jeweils 60 Grad vor und hinter der kleineren Masse, sind in der Tat sehr stabil. Diese Punkte, L-4 und L-5, gehören zu den wertvollsten ›Grundstücken‹ im Weltraum zwischen Mond und Erde.«
»Die Raumsiedlungen.«
»Genau. Natürlich sitzen diese Siedlungen wegen des Sonneneinflusses nicht exakt auf L-4 und L-5, sondern umkreisen sie auf einer Umlaufbahn.«
»Also umkreisen sich Sonne und Erde, der Mond und die Erde, und die Siedlung L-5 umkreist den Punkt L-5. Eine Umlaufbahn in der anderen.«
»Genauso ist es. Ptolemäus nannte sie Epizyklen, aber diese hier sind echt, keine Phantasiegebilde. Sie geben dem Weltall seine Form. L-3 liegt auf der anderen Seite der Erde genau gegenüber dem Mond, damit kann kein Mensch etwas anfangen, aber bei L-1 und L-2, den quasi stabilen Lagrangepunkten in der Nähe des Mondes, ist das etwas anderes. Hier auf L-1 können wir mit einem Minimum an Treibstoff eine strategische Position mitten über der erdzugewandten Seite halten. Dort befindet sich der größte Teil der Mondbevölkerung, hauptsächlich in Cayley. Über uns läuft die gesamte cislunare und Oberflächennavigation und -kommunikation. L-2, hinter dem Mond, lag ideal für den Transport lunaren Baumaterials von den Minen bei Cayley, als L-5 gebaut wurde.«
»Lag?«
»Die Station wurde zum größten Teil wieder abgebaut, als die schwereren Arbeiten auf L-5 beendet waren. Man hat die Spinnweben von L-2 auf den Mond gebracht, als dort die Startrampe gebaut wurde.«
»Die Spinnweben?«
»Kommen Sie hier herüber.«
Er geleitete sie zum nächsten dicken Glassichtfenster in der gekrümmten Wand der Station. Dort sah sie, wie sich zwei riesige, zerbrechlich wirkende Konstruktionen, ein seltsames Gewirr aus Gittern und Verstrebungen, vor den Sternen als Silhouetten abhoben.
»Im Grunde sind es riesige Transportnetze. Sehen Sie, wir befinden uns hier ungefähr eine halbe Umlaufbahn entfernt von der Farside-Startrampe. Die Transportkapseln, die von dort kommen, erreichen uns mit einer Geschwindigkeit von 200 Metern pro Sekunde. Wir lenken sie über Radar hierher, dann schlingt sich das Netz um die Flugbahn, pflückt die Kapseln aus dem All und bremst sie ab, so daß sie entladen werden können. An jeder Spur befinden sich 60 Netze. Eine tolle Konstruktion, finden Sie nicht? Auf L-2 hatten sie fünf komplette Anlagen, die rund um die Uhr damit beschäftigt waren, Mondgestein aus dem All zu pflücken, das man auf Cayley abgeschossen hatte. Weil sie sich ständig verhedderten, waren immer einige außer Betrieb. Wir haben es hier nicht mit annähernd so viel Frachtgut zu tun, das meiste ist flüssiger Sauerstoff und Eis aus den Minen bei Farside.« Er drehte dem Fenster den Rücken zu. »Im Augenblick sind wir also die einzige Raumstation des Mondes. Hier läuft alles durch, egal in welcher Richtung. Natürlich auch die illegalen Drogen. Manchmal glaube ich, vor allem die illegalen Drogen.«
Brick führte Sparta um einige weitere Ecken in dem schmalen Gang bis zu einem engen Büro mit leicht gebogenen Wänden, es war seins. Es nahm eine Viertelscheibe aus einem der Zylinder ein. »Es ist winzig, aber die Aussicht ist atemberaubend. Haben Sie noch irgendwelche Fragen, die ich Ihnen beantworten könnte?«
»In welcher Verfassung war Leyland, als er zu Ihnen kam?«
»Eigentlich ganz gut gelaunt. Der Kapitän des Schleppers meinte, er hätte ein paar Stunden lang geredet. Er konnte nicht schlafen und mußte seine
Weitere Kostenlose Bücher