Codename Sparta 04 - Das Medusa-Abenteuer
öden Felsen und dem Eis von Amalthea im Strahlungsschatten dieses bescheidenen Satelliten. Bald würde der Jupiter für die Kon-Tiki über dem Rand des kleinen Mondes aufgehen, für die Garuda jedoch würde der riesige Planet während des gesamten Einsatzes verborgen bleiben. Sobald die Abkopplung in der Umlaufbahn vollzogen und sämtliche Systeme überprüft waren, sollte die Kon-Tiki ihre Retroraketen zünden und zu ihrem langen Fall ansetzen.
Howard Falcons Suche stand kurz vor ihrem Höhepunkt.
Spartas Suche während der letzten zwei Jahre war wesentlich einsamer und qualvoller gewesen. Als sich für ihn der Augenblick des Triumphes näherte, lag sie da und lauschte, während ihr Bewußtsein immer wieder in finstere Träume und verzerrte Erinnerungen tauchte …
»Alles in Ordnung, Schätzchen?«
Diese besorgte Frage stellt eine stämmige Frau mit den groben Händen und roten Wangen einer früheren Magd. Ihr rundes ›r‹ verrät, daß sie in Somerset aufgewachsen ist. Sie trägt ein Bündel Laken in den Armen.
Die junge Frau zwinkert mit ihren blauen Augen und lächelt verlegen. »Hab ich es schon wieder gemacht, Clara?«
»Dilys, ich warne dich. Du wirst nie aus der Wäscherei rauskommen, wenn du ständig im Stehen einschläfst.« Clara stopft einen Armvoll Wäsche in den Schlund der Industriewaschmaschine. »Sei so gut und hol die anderen aus dem Korb, ja?«
Dilys bückt sich, um die Laken ganz unten aus dem Karren zu zerren. Über ihrem Kopf öffnet sich der Schlund des Wäscheschachts, der drei Stockwerke hoch bis zur obersten Etage des Landhauses reichte.
Clara zieht eine Braue hoch. »Wenn ich nicht wüßte, daß du die Unschuld in Person bist, würde ich denken, du lauschst. Durch den Schacht kann man sehr gut bis in die Schlafzimmer horchen, wie du ohne Zweifel schon selbst bemerkt hast.«
Dilys dreht sich mit aufgerissenen Augen zu ihr um. »So etwas würde ich nie tun.«
Claras üppiger Busen schüttelt sich unter herzlichem Gelächter. »So früh am Morgen hätte das sowieso keinen Sinn. Außer Blodwin und Kate, die uns das Zeug in den Schacht stopfen, ist da oben noch niemand auf den Beinen.« Clara nimmt Dilys die Bettwäsche ab, stopft das einmal benutzte Leinen in die Waschmaschine und schließt die runde Glastür. Man sieht ihren funkelnden Augen an, daß sie etwas im Schilde führt. »Von den Laken könntest du viel mehr über unsere Gäste erfahren. Sie her, die Laken von Miss Marta sind vollkommen unbenutzt. Und warum?« Mit diesen Worten zieht sie ein Stück benutztes Laken hervor. »Ein Tip: Dieser Jürgen ist gar nicht so ein Ochse, wie man meinen könnte.«
»Das verstehe ich nicht«, sagt Dilys.
»Ich spreche vom Unterschied zwischen einem Ochsen und einem Bullen, Schätzchen.«
»Clara!«
»Wahrscheinlich kann man von der Tochter eines Bergarbeiters nicht erwarten, daß sie etwas vom Landleben versteht.« Clara rafft das Laken zusammen und stopft es in die Maschine. »So, und jetzt Schluß mit der Träumerei. Sieh zu, daß die Handtücher und Servietten gebügelt und zusammengelegt sind, wenn ich zurückkomme.«
Dilys beobachtet, wie Claras breiter Rücken und ihre noch breiteren Hüften über die Treppe nach oben verschwinden. Anstatt sich um die Wäsche zu kümmern, fällt das schlanke, dunkelhaarige Mädchen sofort wieder in Trance. Obwohl sie diesmal nicht neben dem Wäscheschacht steht, tut sie genau das, was Clara ihr vorgeworfen hat. Sie lauscht. Aber nicht auf das Bettgeflüster, das interessiert sie gar nicht, sondern auf die beiläufigen Gespräche der Wochenendgäste von Lord Kingman. Aus der Eingangshalle dringen Stimmen zu ihr herab …
»Nach Westen hin läßt es sich recht gut jagen – das überlassen wir den anderen, was meinen Sie?« Das ist Kingmans Stimme, die eines älteren Mannes aus gutem Hause.
»Ich bin sicher, Sie werden etwas für uns finden, das sich zu schießen lohnt, Rupert.« Ein Mann mittleren Alters, dessen Äußerungen verraten, wie schrecklich ungeduldig er trotz seines Charmes ist.
»Ich werde Sie nicht enttäuschen … ahh« – Kingman senkt die Stimme, sein Ton wird mißmutig – »hier kommt unser deutscher Freund.«
Das Mädchen in der Wäscherei ist wie gebannt. Wegen der jahrhundertealten, romantisch-mystischen Neigung der Waliser wird man ihr in diesem Haushalt ihre Eigenarten verzeihen – ganz zu schweigen davon, daß Lord Kingman offenbar einen Narren an ihr gefressen hat. Unter ihrer brünetten Perücke jedoch sind
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