Codename Sparta 04 - Das Medusa-Abenteuer
vorwärts – plus eins, plus zwei, plus drei – dann, plötzlich, begann hinter den Wänden ein gespenstisches Stöhnen, das sich zu einem kreischenden Getöse steigerte.
Der Lärm unterschied sich beträchtlich von dem auf der Erde oder dem Mars oder selbst auf der Venus. In dieser Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium wurden alle Geräusche ein paar Oktaven nach oben verschoben. Auf dem Jupiter hätte sogar Gewitterdonner noch Falsettobertöne.
Piepsender Donner. Falcon hätte geschmunzelt, wenn er gekonnt hätte.
Gleichzeitig mit dem immer lauter werdenden Kreischen nahm auch das Gewicht zu. Innerhalb von Sekunden war er vollkommen bewegungsunfähig. Sein Blickfeld schrumpfte, bis es nur noch die Uhr und den Beschleunigungsmesser zeigte. 15 g, und er hatte noch 480 Sekunden vor sich. Das Bewußtsein verlor er nicht, aber das hatte er auch nicht erwartet.
Für die Kameras der Einsatzleitung oder jeden anderen Beobachter war der Feuerschweif der Kon-Tiki in der Atmosphäre sicher ein spektakulärer Anblick. Mittlerweile war er viele tausend Kilometer lang. 500 Sekunden nach dem Eintritt in die Atmosphäre ließ die Verzögerung allmählich nach: 10 g, 5 g, 2 … Dann befand sich Falcon im freien Fall, die gewaltige Umlaufgeschwindigkeit hatte sich in Nichts aufgelöst.
Dann gab es einen kurzen Schlag, als die weißglühenden Reste des Hitzeschildes der Kapsel abgestoßen wurden. Im selben Augenblick riß die aerodynamische Verkleidung ab. Der Jupiter konnte sie haben, sie hatte ihren Zweck erfüllt. Falcon löste einige Halterungen, um sich etwas Bewegungsfreiheit in der Kapsel zu verschaffen, und wartete, bis die automatische Steuerung die nächste und höchst kritische Phase einleitete.
Er konnte den ersten Bremsfallschirm nicht sehen, aber er spürte den plötzlichen Ruck. Kurz darauf hatte die Kon-Tiki ihre gesamte Horizontalgeschwindigkeit verloren und fiel mit einer Geschwindigkeit von 1500 Kilometern pro Stunde senkrecht nach unten.
Jetzt kam es ganz darauf an, was in den nächsten 60 Sekunden geschah.
Der zweite Bremsfallschirm wurde ausgeworfen. Er blickte durch das Fenster über seinem Kopf und erkannte zu seiner großen Erleichterung, daß riesige Mengen glitzernder Folie wie Wolken hinten aus dem Schiff quollen. Tausende von Kubikmetern der Ballonfaser verteilten sich über den Himmel wie eine aufbrechende Blüte, und der riesige Fallschirm fing das dünne Gas ein, bis er voll aufgebläht war.
Die Fallgeschwindigkeit der Kon-Tiki stabilisierte sich bei einigen Kilometern pro Stunde. Jetzt gab es Zeit genug. In diesem Tempo würde es Tage dauern, bis Falcon auf die Jupiteroberfläche traf.
Irgendwann jedoch würde er dort ankommen, es sei denn, er unternahm etwas dagegen. Bis dahin war der Ballon lediglich ein nützlicher Fallschirm, der keinerlei Auftrieb bot, solange das Gas innen wie außen gleich dicht blieb.
Dann setzte mit dem charakteristischen Klack der Fusionsreaktor ein und verströmte gewaltige Hitzewellen in die Hülle. Innerhalb von fünf Minuten sank die Fallgeschwindigkeit auf Null, nach sechs Minuten begann das Schiff zu steigen. Dem Höhenmesser zufolge pendelte es sich bei etwas mehr als 400 Kilometern über der Oberfläche ein, sofern man beim Jupiter von einer Oberfläche sprechen konnte.
In einer Atmosphäre aus Wasserstoff, dem leichtesten aller Gase, konnte nur eine einzige Sorte Ballon funktionieren, nämlich ein mit heißem Wasserstoff gefüllter Ballon. Solange der Fusionsreaktor lief, blieb Falcon in der Atmosphäre und schwebte über einer Welt, die 100 Pazifische Ozeane aufnehmen konnte. Nachdem die Kon-Tiki in mehreren Stationen 500 Millionen Kilometer weit von der Erde angereist war, dem letzten wasserhaltigen Planeten, machte sie ihrem Namen alle Ehre. Sie war ein Floß der Lüfte, das auf den flüssigen Strömen der Jupiteratmosphäre dahintrieb.
Während seines Falls auf den Jupiter war Falcon aus seinen quälenden Träumen zu triumphierendem Sonnenschein erwacht. Sparta jedoch blieb in ihrem stinkenden Loch auf der Garuda weiter in ihren gefangen …
Ohne Schnittstelle ist ›Dylis‹ nicht in der Lage, eine Magnetkarte zu lesen. Fünf Minuten nach der Entdeckung der Gruft ist sie oben in Kingmans Küche, am Haushaltscomputer. Das Terminal steht zu dicht am Gasherd, der Bildschirm ist undeutlich und die Tastatur fettverschmiert. Sie dringt trotzdem mit ihren Fingersonden in das Gerät ein und spürt das Kitzeln des Elektronenstroms.
Dann schiebt sie
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