Codename: Sparta - 5 - Der Jupiter-Diamant
wann man aufhören mußte.
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Selbst im Zeitalter der Microminiaturisierung, der maßgeschneiderten künstlichen Proteine, Nukleinsäuren und Nanomaschinen war für bestimmte Vorgänge immer noch ein Skalpell erforderlich.
Sparta lag achtundvierzig Stunden unter den diamantbeschichteten Messern, bevor sie den langen Weg zurück zu ihrem Bewußtsein antreten konnte. Als sie das Halbdunkel der Tiefe durchquerte, die wogende Oberfläche durchbrach und einen Lichterkreis erblickte, entsprang sie wie Aphrodite der Gischt – die in ihrem Fall aus einer Schicht blutiger Bläschen bestand, die ihr eine der Operationsschwestern mit einer raschen Bewegung von den vielen Einschnitten in ihrem Brustkorb wischte. Sie hatte alle überrascht. Noch im Operationssaal zwang sie sich, wieder aufzuwachen. Der Notfall wurde kompetent versorgt, und wenige Augenblicke später schob man sie hinaus. Als sie dann endlich vollkommen wach war, hatten die multiplen Wachstumsfaktoren bereits gute Arbeit geleistet: Ihre Haut war rosig und glatt, ihre inneren Organe unversehrt; die zahlreichen Veränderungen in ihrem Innern waren tatsächlich nicht mehr zu erkennen.
Die nächsten vierundzwanzig Stunden blieb sie unter Beobachtung, damit die Ärzte etwas für ihre Berufsethik tun und ihr Gewissen beruhigen konnten, auch wenn Sparta durch ihre präzise Selbstwahrnehmung ihren inneren Zustand viel besser erkennen konnte als sie.
Vom Fenster des Zimmers im Hochsicherheitstrakt der Raumkontrollbehörde blickte Sparta nach Osten über einen Fluß voller Algen, auf dem riesige Erntemaschinen aus rostfreiem Stahl wie zarte Wasserkäfer zu stehen schienen. Sie blickte quer über die Ruinen Brooklyns mitten im Grüngürtel bis hin zu der grauen Steinmasse der dahinterliegenden Stadt, die in dem Smog kaum zu erkennen war. Eines Morgens sah sie durch den Dunst, wie eine orange-violette Sonne sich offenbar mit Mühe in den Himmel schob, und sie wußte, daß ihre Zeit gekommen war. Sie war wiederhergestellt und bereit.
An der Tür ertönte leise ein Summer. Auf ihrem Bildschirm sah sie, daß der Commander draußen auf dem Flur wartete. »Offnen«, befahl sie der Tür.
Er trug seine blaue Uniform der Raumkontrollbehörde mit seinen Rangabzeichen, den schmalen Reihen der Orden und den Sternen auf dem Kragen, die ihn als Angehörigen der Ermittlungsbehörde auswiesen. Im Widerschein dieses Blaus wirkten die Augen, mit denen er Sparta betrachtete, noch blauer. Sein Gesicht entspannte sich. »Gut sehen Sie aus, Troy. Es hat keinerlei Komplikationen gegeben, wie man mir gesagt hat.«
Sie nickte.
Er sah aus, als wollte er noch etwas sagen. Aber er war noch nie ein Freund vieler Worte gewesen. Außerdem hatte sich ihr Verhältnis geändert, auch wenn sie offiziell noch immer Inspektor Troy von der Raumkontrollbehörde war und er offiziell ihr Vorgesetzter.
»Der Hubschrauber ist startbereit. Ihre Eltern müßten bereits auf dem Weg zum Landhaus sein.«
»Gehen wir.«
Er trat ohne ein Wort zur Seite. Sie ging durch die Tür, ohne ihn anzusehen. Natürlich wußte sie, wie schmerzhaft dies für ihn sein mußte, aber es war mindestens ein Jahr her, daß sie sich hatte anmerken lassen, ob es sie kümmerte, wie es ihm oder einem von den anderen ging.
Noch nach fünfunddreißig Jahren der Ehe verhielt sich Jozsef Nagy seiner Frau gegenüber manchmal so wie der junge Student, der er war, als sie sich kennengelernt hatten. Wenn er damals seine neue Geliebte unter den Frühlingsbäumen in Budapest traf, fuhren sie gewöhnlich mit dem Fahrrad. Heute hatte er eine graue Robot-Limousine zu ihrem Schlupfwinkel in den nordamerikanischen Wäldern bestellt.
Er hielt Ari die Tür auf. Sie stieg ein und nahm auf den Lederpolstern Platz. Dabei benahm er sich ebenso formvollendet, als hätte er ein ganzes Monatsgehalt für eine Kutsche bezahlt, mit der sie ins Theater fahren wollten. Es war ein kühler und frischer Tag. Die Sonne schien hell, und die Schatten zeichneten sich scharf auf den Zweigen ab. Der Wagen war bereits einige Minuten die Straße hinabgerollt, die sich durch den frühlingshaften Wald wand, als sie anfing zu sprechen. »Sie will uns also endlich sehen.«
»Es ist ein Anfang, Ari. Es hat lange gedauert, bis sie sich wieder erholt hat, aber jetzt ist sie fast wieder hergestellt, glaube ich.«
»Mit dir spricht sie. Gibt es noch etwas, das du mir nicht erzählt hast?«
»Wir reden über die Vergangenheit. Ihre Pläne behält sie für sich.«
»Das kann
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