Codename: Sparta - 5 - Der Jupiter-Diamant
herunter. »Er wagt es, mich auf den Arm zu nehmen.« Er starrte über die Köpfe seiner durcheinanderlaufenden Kollegen hinweg und machte einen scheinbar gedankenverlorenen Eindruck. Dann blickte er auf seine Assistentin herab. »Wir haben mit der Berichterstattung über diese Geschichte erst begonnen. Wenn wir weitermachen wollen, werden wir etwas Phantasie benötigen … und Mut. Sind Sie immer noch entschlossen, Marianne?«
Ihre Hingabe stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Ich stehe voll und ganz hinter Ihnen, Randolph.«
12
Wer keinen Dienst hatte, versammelte sich im Wachraum der Michael Ventris, um die Endphase des Anfluges auf den Beobachtungsschirmen zu verfolgen. Zuerst erschien Amalthea als winzige Sichel im All, deren Nachtseite schwach vom reflektierten Widerschein des Jupiter beleuchtet wurde.
Der Jupiter selbst schien sich endlos zu dehnen, bis er schließlich den ganzen Himmel ausfüllte und mit einer schier unglaublichen Geschwindigkeit weit oben vorbeizog, während das Schiff sachte in dieselbe Umlaufbahn einschwenkte wie ihr sich rasch bewegendes Ziel. Was zuerst ein Klumpen dunklen Gesteins mit ein paar vereisten Flecken von 270 Kilometern Länge gewesen war, stellte sich jetzt als verkürzter Ellipsoid aus schimmerndem Eis dar. Er war so glattpoliert und abstrakt wie eine Skulptur von Brancusi, und seine Längsachse zeigte genau auf die Jupiterwolken aus zerlaufenem Orange und Gelb, die den Hauptplaneten umgaben.
Selbst wenn sie nicht die Hilfe der Beobachtungsbildschirme hätten in Anspruch nehmen können, wären sie nahe genug gewesen, Hunderte von Dampfwolken zu erkennen, mit denen die wild geformte Eisoberfläche übersät war; es sah aus wie ein himmlischer Yellowstone voller zischender Mineralwasserquellen. Anstatt wieder auf den Boden zurückzufallen, bogen sich die Geysire elegant hinaus ins All, wo sie sich zu märchenhaften Nebelschleiern auflösten, die den Eindruck erweckten, Amalthea werde von sanften Winden umweht und versprühe seine Masse nicht ins völlige Nichts.
Die einzige »Atmosphäre« in dieser Entfernung vom Jupiter bestand aus einer Horde von Partikeln in seinem Strahlengürtel. Wie der Schwanz eines Kometen, der in die Sonne stürzt, wurden die feinen Gase von Amalthea zum Glühen gebracht und allein durch Strahlendruck wieder zurückgeweht.
Genau in diesen nebligen Windschatten steuerte Josepha Walsh die Ventris – in das einzige Gebiet in der Nähe des Jupiter, das vor den tödlichen Strahlen mit Überreichweite geschützt war. Hier hatte vor etwas mehr als einem Jahr die Garuda gewartet, während Howard Falcon mit der ballongetragenen Kon-Tiki in die Wolken des Jupiter hinabgestiegen war. Die Aufgabe der Garuda war im Vergleich zu der der Ventris einfach gewesen, denn sie hatte nur die wenigen Tage bis zu Falcons Rückkehr abwarten müssen. Die Mission der Michael Ventris hatte ein offenes Ende, außerdem veränderte der Gegenstand seiner Untersuchungen jede Minute seine Gestalt.
Jo Walsh steuerte so dicht an den Mond heran, wie sie es wagen konnte, ohne ihn tatsächlich zu berühren. Endlich verschwand der Jupiter von den Beobachtungsbildschirmen und ging hinter dem stark gekrümmten Horizont von Amalthea unter; noch ein paar Minuten, und die Ventris hatte sich so dicht herangewagt, daß es von der Hauptluke nur noch ein kleiner Sprung bis in den Nebel gewesen wäre, der die Oberfläche unten mit einem Schleier überzog.
Lange bevor das Schiff aufhörte sich zu bewegen, hatten die Beobachter die seltsamen schwarzen Markierungen auf dem Mond entdeckt. Hawkins stellte die Frage, die jedem durch den Kopf ging. »Was ist denn das? Krater?«
Kurz darauf stießen Groves und McNeil zu Blake, Bill Hawkins und dem Professor im Wachraum. Bis auf Walsh, die immer noch etwas auf dem Flugdeck zu tun hatte, und Sparta, von der man seit kurz nach dem Start von Ganymede nichts mehr gesehen hatte, war jetzt die gesamte Mannschaft versammelt.
Auf dem größten der Beobachtungsbildschirme wurde gerade die Bildfolge des Endanflugs der Ventris in extremer Zeitlupe zurückgespielt. An drei Stellen auf der ihnen zugewandten Seite waren deutlich im feinen Dunst über der Oberfläche riesige, scharf umrissene Kreise zu erkennen – schwarze Linien, die aussahen, wie mit einer feinen Feder geschrieben – ineinanderlaufende Kreise, die viel zu mathematisch genau und gleichmäßig verteilt waren, als daß es sich um zufällige Einschläge hätte handeln könne.
»Professor,
Weitere Kostenlose Bücher