Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
gemustert hatte, war verschwunden. Sie redete jetzt auch deutlich mehr, obwohl er nur einsilbig antwortete. Wenn sie ihn anschaute, dann lag keine Angst mehr in ihrem Blick, nur noch eine Spur von Misstrauen. Sie machte sich nicht mehr so viele Gedanken darüber, was er wohl tun könnte, fühlte sich wohler in seiner Gegenwart. Wie gerne hätte Victor das Gleiche über sie gesagt.
Wenn es denn irgendwann sein musste, wollte er sie so schmerzlos wie möglich töten. Zumindest das hatte sie sich verdient, nach allem, was sie für ihn getan hatte.
Er sah die Leute draußen auf der Straße mehr und mehr miteinander verschmelzen, sah die Farben ineinanderfließen. Die Tippgeräusche wurden leiser. Dann merkte er, dass sein Kopf nach vorn gesackt war, und er riss ihn ruckartig wieder nach oben.
»Ich brauche ein bisschen frische Luft.«
Victor ging zur Tür.
»Okay«, sagte die Maklerin und hob den Kopf.
Ganz bewusst erwiderte er ihren Blick nicht.
Er genoss die Abendluft draußen vor dem Hotel. Es war laut und voller Menschen, und so ließ er sich von der Menge treiben, bis er eine Bar fand, die ihm gefiel. Er trat ein, bestellte sich eine Flasche Bier und trank sie nach und nach aus, während er zum Hotel zurückging. Er wäre gerne länger draußen geblieben, ganz für sich, aber er konnte die Maklerin nicht allzu lange alleine lassen, zu ihrer beider Sicherheit.
Es würde noch lange dauern, bis er sich an den Gedanken gewöhnt hatte, eine Partnerin zu haben – falls man sie überhaupt so nennen konnte. Er arbeitete jetzt schon so lange ausschließlich alleine, dass ihm die enge Zusammenarbeit fast den Atem nahm. Und sie war das auch nicht gewöhnt, ihre operativen Fähigkeiten waren höchstens auf Anfängerniveau. Er musste immer mit einem Auge auf sie achten, und damit blieb nur ein Auge für ihn selbst. Die Tatsache, dass sie eine Frau war, eine
attraktive noch dazu, war auch nicht gerade förderlich. Das war genau die Art von Ablenkung, mit der er keine Erfahrung hatte.
Er trank einen Schluck von seinem Bier und wich drei betrunkenen jungen Frauen aus, die ihm entgegengestolpert kamen. Sie johlten ihm im Vorbeigehen zu, und eine machte ihm ein mehr als eindeutiges Angebot. Er reagierte amüsiert und hob lediglich eine Augenbraue. Sie lachten und torkelten weiter.
Als Victor das Hotel betrat, fiel sein Blick auf die Uhr, und ihm wurde schlagartig klar, dass er viel länger weg gewesen war, als er gewollt hatte. Er nahm die Treppe in den ersten Stock und näherte sich ihrem Zimmer. Sie besaßen beide eine elektronische Schlüsselkarte und hatten vereinbart, vor dem Eintreten erst anzuklopfen und dann kurz zu warten. Er hielt sich daran und machte die Tür auf. Sie hob den Kopf, und ihre Blicke begegneten sich. Die Andeutung eines Lächelns war auf ihrem Gesicht zu sehen. Das war Victor irgendwie unangenehm.
»Wie lange dauert es denn noch?«
Sein ruppiger Tonfall behagte ihr nicht. »Ich verlange von Ihnen ja auch nicht, dass Sie mir Ihre Methoden erklären«, erwiderte sie. »Also gestehen Sie mir bitte das gleiche Recht zu.«
Victor steuerte das Badezimmer an. »Wie ich sehe, entwickeln Sie langsam so etwas wie Rückgrat.«
Sie reagierte ebenso scharf. »Und Sie entwickeln so langsam einen Sinn für Humor.«
Bei diesen Worten hatte Victor kurz gelächelt, ganz gegen seinen Willen, aber er wusste, dass sie es nicht sehen konnte, da er ihr den Rücken zugewandt hatte. Dann machte er sich jedoch schnell wieder klar, dass sie lediglich ein Mittel zum Zweck war. Mehr nicht. Nur ein Werkzeug für sein eigenes Überleben. Nichts anderes als eine Pistole. Nützlich, aber verzichtbar, sobald sie keinen Nutzen mehr brachte. Und jeder darüber hinausgehende Gedanke würde nur Unheil bringen.
Er betrat das Badezimmer und spritzte sich ein bisschen Wasser ins Gesicht. Da hörte er die Stimme der Maklerin aus dem angrenzenden Zimmer.
»Sie waren aber lange weg.«
Er starrte sich im Spiegel an. »Ich habe ein Bier getrunken.«
»Das ist doch ein Witz«, erwiderte sie.
Victor trocknete sich das Gesicht ab. »Ich mache keine Witze.«
»Und ich dachte immer, Leute wie Sie trinken keinen Alkohol. «
»Sie sehen zu viele Filme.«
Sie sagte noch etwas, aber er hatte die Tür bereits zugemacht und ließ Wasser in die Wanne laufen. Nach einem schnellen Bad betrat er frisch angezogen wieder das Zimmer.
Die Maklerin saß zurückgelehnt auf ihrem Stuhl, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Sie lächelte entspannt.
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