Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
sich jeden Tag einen Viertelpfünder mit einer satten Portion guter, alter Freiheits-Fritten genehmigt.
Er ging den Bürgersteig entlang, an seinem parkenden Auto vorbei. Eine Gruppe betrunkener Managertypen kam auf ihn zugetorkelt. Sie konnten nicht einmal annähernd mehr geradeaus gehen. Bestimmt hatten sie irgendeinen großen Abschluss gefeiert. Genau so sahen sie jedenfalls aus.
Beim Näherkommen rief ihm irgendeiner etwas auf Französisch zu. Kennard registrierte den aggressiven Tonfall. Vielleicht hatte der Typ ja den Widerwillen auf Kennards Gesicht registriert, vielleicht wollte er auch einfach bloß seinen Spaß haben.
Der Kerl war ein kleines Stückchen größer und zehn Kilo schwerer als Kennard, hauptsächlich am Bauch, aber unter seinem Anzug war Kennard längst nicht so harmlos, wie es den Anschein hatte. Er hätte den Typen gerne demonstriert, dass er kein ganz so leichtes Opfer war, doch dann wandte er den Blick ab und wich ihnen aus. Er konnte sich nicht erlauben, in irgendetwas verwickelt zu werden. Hinter ihm ertönte Lachen und lautes Juchzen, während das Grüppchen sich entfernte. Sie hatten Glück, dass sie das taten.
Kennard überquerte die Straße. Obwohl ihm das Blut in den Schläfen pochte, verzog er keine Miene. Alvarez hatte ihm einen ganzen Stapel dringender Aufträge erteilt, Dinge, die auf keinen Fall länger warten konnten, aber Kennard war nicht auf dem Weg in die Botschaft. Er hatte zuerst etwas noch Dringlicheres zu erledigen.
Nachdem er noch einmal rund eine Minute lang gegangen war, bog er in eine Seitenstraße ab. Wieder einmal stand er vor dem Münztelefon und musste nervenaufreibende dreißig Sekunden lang warten, bis eine junge Frau in der Zelle ihren Anruf beendet hatte. Kennard trat ein und zog sein Handy hervor, um die letzte gewählte Nummer abzulesen. Hastig, aber dennoch konzentriert, drückte er die Tasten. Wenn er fertig war, dann würde er alles, was er angefasst hatte, sorgfältig abwischen.
Kennards Kragen war klitschnass. Eigentlich waren unangemeldete Anrufe nicht vorgesehen, aber nach der Katastrophe vom gestrigen Montag konnten Nachrichten wie diese auf keinen Fall warten. Es dauerte einige Zeit, bis der Klingelton ertönte, und danach verging eine gefühlte Ewigkeit, bis sich jemand meldete. Er gab seinen Code durch.
Erst nach einer endlosen Stille meldete sich eine Stimme, triefend vor Verachtung.
»Ich hoffe, es ist wichtig.«
Kennard holte tief Luft und sagte: »Jetzt ist es offiziell. Er war in Swjatoslaws Wohnung in München, ist aber schon längst wieder weg. Wir sind ziemlich sicher, dass er nach Tschechien geflogen ist. Mehr wissen wir noch nicht.«
Eine lange Pause entstand. »Also gut«, hörte er dann. »Wir möchten, dass Sie Folgendes tun …«
Kapitel 19
Nördlich von Saint Maurice, Schweiz Mittwoch 08:33 MEZ
Keuchend stieß Victor den Atem aus. Die dünne Bergluft entwich in dichten, weißen Schwaden aus seinen Lungen. Die ersten sechzig Meter waren anstrengend gewesen, aber die letzten fünfzehn die reinste Folter. Stöhnend zog er den Eispickel aus dem gefrorenen Wasserfall und trieb ihn in das Eis über seinem Kopf. Eis und Schnee rieselten über ihn hinweg und landeten weit unten am Fuß des Wasserfalls.
Er sah den glitzernden Kristallen einen Augenblick lang nach und holte mehrmals hintereinander tief Luft. Die Kälte und die Strapazen hatten sein Gesicht gerötet. Eine Gletscherbrille schützte seine Augen vor den Sonnenstrahlen. Das Eis des Wasserfalls leuchtete strahlend blau und weiß, aber in den Tiefen der Risse und Spalten war es dunkler, fast schon schwarz. Ein verzerrtes Spiegelbild sah ihm beim Klettern zu.
Hier oben fiel es ihm leicht, die Ereignisse der letzten Tage zu vergessen. Er hatte gar keine andere Wahl, als sich voll und ganz auf die Gegenwart zu konzentrieren. All sein Denken und Handeln war auf diese eine Aufgabe gerichtet. Wäre ihm irgendein anderer Gedanke dazwischengeraten, es wäre sein letzter
gewesen. Nachdem er seinem Körper so viel Erholung wie nur möglich gegönnt hatte, musste er jetzt seinen Kopf freibekommen. Er besaß keine Freunde, mit denen er reden, mit denen er seine Probleme besprechen konnte, und das hier war die bestmögliche Alternative.
Wenn er alleine in den Bergen war, dann fühlte er sich jedes Mal wie der einzige Mensch auf der Welt. Nur er und die Natur in ihrer ganzen, unbarmherzigen Ehrlichkeit. Er war so weit von der Zivilisation entfernt, wie er es sich erträumen
Weitere Kostenlose Bücher