Codex Alera 06: Der erste Fürst
Hauptmann quittierte die letzte Aussage mit einem lauten Schnauben.
Marcus nickte abgeklärt. »Ja. Nach der Botschafterin zu urteilen ist Letzteres völliger Unfug.«
»Noch etwas?«
Marcus schürzte die Lippen und rang mit sich. Von Valiar Marcus konnte man nicht erwarten, dass er besonders viel über die Marat und ihre Sitten wusste. Andererseits kannte ein geachteter Soldat, der aus dem Norden stammte und Verbindungen hatte, viele verschiedene Leute. Einige von denen reisten sicher. Einige kehrten mit Geschichten zurück. Und …
Und Marcus begriff, dass er dem Hauptmann helfen wollte.
»Ich habe mit einem Kerl zusammen gedient, der später Waffenmeister bei einer ziemlich großen Kaufmannsfamilie geworden ist«, sagte er. »Er hat mir etwas über einen Wettstreit erzählt.«
Der Hauptmann runzelte die Stirn und beugte sich eifrig vor. »Wettstreit?«
Marcus brummte bestätigend. »Anscheinend hat eine Maratfrau das Recht, ihren künftigen Bräutigam in einem Wettstreit auf die Probe zu stellen. Oder in einem Gerichtskampf. Über den Punkt hat er sich nicht so ganz klar geäußert.«
Octavian zog eine rabenschwarze Augenbraue hoch. »Du scherzt.«
Der Erste Speer zuckte mit den Schultern. »Mehr weiß ich nicht.« Das entsprach der Wahrheit. Sogar die Kursoren hatten über die Barbaren, abgesehen von ihrer militärischen Schlagkraft, wenig in Erfahrung gebracht. Das Wissen über die Gesellschaft der Marat war ziemlich bruchstückhaft. Die beiden Völker waren einander die meiste Zeit über bewusst aus dem Weg gegangen. Es hatte gereicht zu wissen, was für eine Bedrohung sie darstellten, damit die Legionen ihnen wirksam entgegentreten konnten.
Gewiss hatte noch nie jemand einem Kursor befohlen herauszufinden, wie man einer Maratfrau einen Heiratsantrag machte.
»Ein Gerichtskampf«, murmelte Octavian düster in seinen Bart. Marcus meinte, auch noch ein leises »Perfekt« gehört zu haben.
Marcus blieb ernst. »Liebe ist etwas Wunderbares, Hauptmann.«
Octavian warf ihm einen missmutigen Blick zu. »Hast du die Berichte von Vanorius erhalten?«
Marcus öffnete eine Lederhülle, die er am Gürtel trug, und reichte dem Hauptmann aufgerollte Papiere. »Ja, Hauptmann, dank Magnus.«
Der Hauptmann nahm die Papiere, lehnte sich mit den Hüften gegen den Tisch und begann zu lesen. »Hast du sie gelesen?«
»Ja.«
»Was meinst du?«
Marcus schürzte die Lippen. »Es gibt eine erdrückende Anzahl von Vord, aber wenn sie nicht gerade von einer Königin angeleitet werden, scheinen sie nicht besonders schlau zu sein. Bei den Belagerungen der Städte kommt es immer zu ein paar Kämpfen, aber die Schwierigkeiten, vor denen die belagerten Hohen Fürsten stehen, und ihre Gegenmaßnahmen klingen eher so, als ob sie in einem heftigen Schneesturm festsäßen, und nicht, als ob sie Krieg führen.«
Octavian blätterte eine Seite um; seine grünen Augen überflogen rasch die nächste. »Fahr fort.«
»Der Feind hat eine große Streitmacht in Bewegung gesetzt, Richtung Riva. Sie hätte dort schon eintreffen sollen, aber Aquitanius hat allen Boden zwischen Riva und der alten Hauptstadt verbrennen lassen, bis nur noch Staub übrig war. Anscheinend hat das ihr Vorrücken verlangsamt.«
Der Hauptmann verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Wie lange noch, bevor sie Aquitanius zum Kampf stellen?«
»Schwer zu sagen. Wenn sie weiter so langsam vorankommen wie jetzt, in zwölf bis vierzehn Tagen.« Marcus runzelte die Stirn und fuhr fort: »Selbst wenn sie die Legionen angreifen und verlieren, könnten sie uns noch den Todesstoß versetzen, solange wir die Königin nicht beseitigt haben. Wenn sie es ihnen befiehlt, kämpfen sie bis zur letzten Wachsspinne. Sie werden den Löwenanteil unserer Kraft mitnehmen.«
»Und sie wird einfach neue erschaffen«, sagte Octavian.
»Ja, Hauptmann.«
»Ich würde sagen, der beste Weg für uns wäre, in zwölf bis vierzehn Tagen dort zu sein, findest du nicht auch?«
Marcus spürte, wie seine Augenbrauen versuchten, bis zum Haaransatz hochzuschießen. »Das wird nicht gehen. Wir haben keine Dammstraßen. Wir werden die Strecke niemals so schnell bewältigen, dass wir uns an der Schlacht beteiligen können. Wir haben nicht genug Flieger, um einen nennenswerten Teil unserer Bodentruppen dorthin zu transportieren.«
Octavians Augen funkelten, und er lächelte. Der Gesichtsausdruck veränderte die Züge des gewöhnlich so ernsten jungen Mannes völlig. Es war das Grinsen eines
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