Codex Alera 06: Der erste Fürst
Stelle des Satzes ein Hauch von Vorwurf hörbar geworden wäre. Auf diese Weise klang er, wie sie fand, weitaus vernichtender. »Ich glaube, dass es sehr unangemessen wäre.«
»Um die Wahrheit zu sagen«, antwortete Aquitanius, »habe ich schon meine Scheidung von Invidia erklärt. Sie ist ab heute gültig.«
»Was für eine schreckliche Last dir das von den Schultern nimmt«, sagte Isana.
Aquitanius atmete langsam durch die Nase ein und auf dieselbe Weise wieder aus. Isana merkte ihm einen winzigen Hauch von Verdrossenheit an, der aber rasch hinter Metallwirken eingemauert wurde.
»Es wäre mir lieber«, sagte Aquitanius, »dieses Gespräch unter vier Augen zu führen.«
Isana musterte ihn, als ob sie darauf wartete, dass er seinen Satz beendete.
»Bitte«, setzte Aquitanius hinzu; seine Stimme war beinahe ein Knurren.
Veradis räusperte sich und sagte: »Ich warte draußen, Herrin.«
»Wie du möchtest«, sagte Isana. »Aber Araris bleibt bei mir.«
Araris kam so schnell herein, dass man annehmen konnte, dass er sich schon in Bewegung gesetzt hatte, bevor Isana den Satz beendet hatte. Er hielt Veradis die Tür auf und schloss sie dann hinter ihr, als sie gegangen war.
Aquitanius lächelte. »Vertraust du mir nicht, meine Dame?«
Isana lächelte ihn an, ohne zu antworten.
Aquitanius stieß ein kurzes, recht harsches Lachen aus. »Es gibt wenige, die es wagen würden, sich mir gegenüber so zu benehmen, Isana, und das aus gutem Grund. Ich betrachte mich nicht als unvernünftigen Mann, aber ich nehme Unhöflichkeit und mangelnden Respekt auch nicht gut auf.«
»Wenn du der Erste Fürst wärst«, antwortete sie, »wäre das vielleicht ein Problem. Aber das bist du nicht.«
Seine Augen verengten sich. »Bin ich nicht?«
»Noch nicht«, sagte Isana in einem Tonfall, der es gerade noch vermied, streitlustig zu klingen. Sie sah dem Mann eine volle Minute lang ruhig in die Augen und ließ ihre Stimme dann einen gesprächsbereiteren Ton annehmen. »Es sei denn, der Senat hat dir den Ausgang der Anhörung schon mitgeteilt.«
Aquitanius schüttelte den Kopf und erwiderte im gleichen Ton: »Valerius versichert mir natürlich, dass alles genau auf die Weise geschehen wird, wie er es beabsichtigt. Bedauerlicherweise ist mir bewusst, was von solchen Versprechen zu halten ist.« Als sie ihm noch einen schiefen Blick zuwarf, verzog sein Mund sich zu einem breiten, löwenhaften Lächeln. »Du dachtest, ich wäre hergekommen, um mich an deiner Zurücksetzung zu weiden, meine Dame?«
»Die Möglichkeit ist mir durchaus in den Sinn gekommen«, räumte sie ein.
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Zeit für derart kleinliche Gesten.«
»Warum bist du dann hier?«
Aquitanius ging zur Anrichte des Zimmers hinüber, goss sich Wein aus einer Flasche in ein bereitstehendes Glas und hob es an, um die Flüssigkeit träge darin kreisen zu lassen. »Die Senatoren sind natürlich in höchster Aufregung. Sie wittern eine Gelegenheit, die Machtfülle des Amts des Ersten Fürsten einzuschränken, trotz der unschönen Tatsachen, denen wir uns stellen müssen. Und wenn es nach ihnen geht, dann werden sie – natürlich nur, sofern Alera überlebt – damit Erfolg haben. Wir haben ja schon gesehen, was geschieht, wenn das Amt des Ersten Fürsten von Alera geschwächt wird. Ganz gleich, wie die Dinge sich in Zukunft entwickeln, du und ich haben ein gemeinsames Interesse daran, das Amt zu verteidigen.«
Isana musterte ihn, während er vorsichtig einen Schluck Wein nahm. Dann sagte sie: »Lass uns einen Augenblick lang annehmen, dass ich dir zustimme. Was bietest du mir an?«
»Die Ehe«, sagte Aquitanius ruhig.
Isana fand sich auf einem Stuhl wieder, ohne sich klar daran erinnern zu können, wie sie dorthin gelangt war. Sie starrte Aquitanius einfach nur an, während ihre Lippen sich Zeit nahmen, ihre nächsten Worte zu formen, und ein Aufblitzen glühend heißen, blind eifersüchtigen Zorns von Araris ausging, der starr wie ein Fels mit dem Rücken zur Tür stand. Er unterdrückte es schnell und führte dabei eine Hand an den Schwertgriff, aber dennoch sorgte diese eine brennende Gefühlsaufwallung dafür, dass Isana sich aus dem Gleichgewicht gebracht fühlte, so als wäre sie aus einem dunklen Keller gekommen, um geradewegs in die Sonne zu starren. Nach einem Augenblick gelang es ihr hervorzustoßen: »Bist du wahnsinnig?«
Aquitanius’ Zähne blitzten noch einmal auf. »Es ist ein wahnsinniger Beruf«, antwortete er,
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