Codex Alera 06: Der erste Fürst
in einer Geste des Eingeständnisses die Hand. »Zugegeben, er ist höchstwahrscheinlich am Leben und aus Canea zurück, und zugegeben, seine Machtdemonstration war eindrucksvoll …« Er schüttelte den Kopf, und sein Gesichtsausdruck erinnerte Isana an einen Mann, der sich gerade bereitmachte, etwas zu essen, das er ausgesprochen ekelhaft fand. »Nicht eindrucksvoll. Mitreißend. Seine Worte an unsere Leute waren mehr als eine einfache Erklärung seiner Anwesenheit. Er hat ihnen Mut eingeflößt. Er hat ihnen Hoffnung geschenkt.«
»So wie ein Erster Fürst es tun sollte«, sagte Isana.
»Er muss noch irgendwo an der Westküste sein. Von dort aus ist es ein langer Marsch bis hierher, Fürstin Isana. Wenn man zulässt, dass im Volk bis zu seiner Ankunft Unsicherheit darüber herrscht, wer es anführt, dann ist es vielleicht schon zu spät für auch nur einen für uns, den nächsten Frühling zu erleben. Ich glaube, dass wir das vermeiden können, indem wir offen zusammenarbeiten. Der freiwillige Zusammenschluss unserer Häuser wird die Gemüter der Civitas wie des einfachen Volks beruhigen. Wenn wir dem Senat die Entscheidung überlassen, wird es immer Zweifel, Fragen, Parteinahme und Verschwörungen geben, ganz gleich, wer von uns den Thron innehat.« Aquitanius trat vor und streckte die Hand aus. »Ich werde nicht ewig leben. Es ist durchaus möglich, dass ich im kommenden Krieg sterbe. So oder so wird die Krone am Ende ihm zufallen. Es wird Leben retten. Unser Volk wird die bestmögliche Hoffnung überhaupt erhalten zu überleben.«
Noch ein Aufblitzen von Zorn prallte auf Isanas Sinne, als Araris von seinem Standort an der Tür einen halben Schritt nach vorn machte. Diesmal war es so heftig, dass auch Aquitanius es spürte. Er wandte sich um und sah Araris unter wiederholtem Blinzeln an. Dann blickte er zwischen den beiden hin und her und sagte: »Ach, das war mir gar nicht bewusst.«
»Ich glaube, du solltest gehen, Attis«, sagte Araris. Seine Stimme war leise und sehr, sehr beherrscht. »Es wäre besser für uns alle.«
»Was außerhalb dieser Mauern vorgeht, ist wichtiger als du, Araris«, sagte Aquitanius ruhig. »Es ist wichtiger als ich. Und wenn deine Neigung, Frauen aus den falschen Gründen zu verteidigen, auch ungebrochen ist, spielen deine Gefühle angesichts der Schwierigkeiten, vor denen wir stehen, nicht die geringste Rolle.«
Araris’ Augen blitzten auf, und eine weitere Aufwallung von Wut stürzte auf Isana ein. Sie hatte das Gefühl, spüren zu können, wie sie ihr die Wimpern umbog. »Seltsam«, sagte Araris. »Ich sehe das anders.«
Aquitanius schüttelte den Kopf, während sein Mund ein wohlberechnetes, bedeutungsloses Lächeln zeigte. »Wir sind kein Haufen Schuljungen mehr, Araris. Ich habe nicht unbedingt ein Bedürfnis nach Zärtlichkeiten, die über das hinausgehen, was nötig ist, um den Schein zu wahren«, sagte er. »Soweit es mich betrifft, wäre es mir durchaus recht, wenn du dein Privatleben führst, wie auch immer es dir beliebt, Fürstin Isana.«
»Araris«, sagte Isana leise und hob die Hand.
Seine Augen ruhten noch eine heiße Sekunde lang auf Aquitanius. Dann warf er ihr stirnrunzelnd einen Blick zu, während sie ihn stumm drängte zu verstehen, was sie vorhatte. Nach einer endlosen Zahl von Herzschlägen entspannte Araris sich sichtlich und kehrte auf seinen Posten an der Tür zurück.
Aquitanius sah zu, wie der Schwertkämpfer sich zurückzog, und wandte sich mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln wieder Isana zu. Er starrte sie eine ganze Weile an, senkte dann langsam die Hand und sagte: »Deine Antwort lautet nein.«
»Dein Angebot ist … vernünftig, Fürst Aquitanius«, sagte sie. »Sehr, sehr vernünftig. Und deine Argumente sind stichhaltig. Aber der Preis, den du verlangst, ist zu hoch.«
»Preis?«
Sie lächelte ein wenig. »Du willst, dass ich meine Welt an diesen Plan verkaufe und Dinge aufgebe, die aufzubauen mich ein ganzes Leben gekostet hat, um mich auf Falschheit und leere Floskeln einzulassen. Das würde meinen Verstand und mein Herz als verwüstetes Ödland zurücklassen, so verbrannt und leer und nutzlos wie all die Höfe, die du zerstört hast, um den Vormarsch der Vord aufzuhalten.«
Aquitanius blickte einen Augenblick lang nachdenklich drein. Dann nickte er und sagte: »Das verstehe ich nicht, aber ich muss deine Antwort hinnehmen.«
»Ja. Das musst du wohl.«
Er runzelte die Stirn. »Octavian weiß, dass er sich vor mir in Acht
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