Codex Alera 06: Der erste Fürst
politischen und militärischen Führung des Reichs, der bei der Senatssitzung anwesend war.«
»Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit der Ersten Fürstin irgendwo innerhalb der Stadt oder des Lagers hätten landen können, ohne gesehen zu werden?«, fragte Amara.
»Gering«, antwortete Ehren offen. »Sie ist überall gewesen, seit sie die Hauptstadt verlassen hat, und hat vielen Menschen geholfen. Sie ist für die Bevölkerung ein vertrauterer Anblick, als Sextus es je war.« Er seufzte und sah Amara geradewegs ins Gesicht. »Aquitanius steckt nicht dahinter. Er hätte es nicht bewerkstelligen können, ohne dass ich es gemerkt hätte.«
Amara verzog das Gesicht. »Bist du dir sicher?«
»Sehr.«
»Dann war es der Feind«, sagte Amara.
»Das ist wahrscheinlich«, sagte Ehren. »Wir wissen, dass die Vordkönigin noch immer eine ganze Anzahl fähiger Ritter Aeris und Cives kontrolliert.«
»Wenn die Vord sie haben … wenn sie sie ausgeflogen haben, könnten sie mittlerweile meilenweit entfernt sein«, hauchte Veradis.
»Aquitanius ist beschäftigt«, sagte Amara, »und die Versuchung für ihn, auch beschäftigt zu bleiben, wird groß sein.«
Ehren legte den Kopf schief, während er zugleich die Finger einer Hand spreizte. Er wirkte hin- und hergerissen.
»Hilf uns«, sagte Amara.
»Es steht hier viel mehr auf dem Spiel als das Leben einer einzelnen Frau«, antwortete Ehren leise.
»Kursor«, sagte Amara, »hast du aus meinem Beispiel nicht gelernt, dass es falsch ist, blind einem Ersten Fürsten zu folgen? Du könntest noch feststellen, dass du nur benutzt wirst. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dich zu fragen, ob du zuerst dem Reich dienst – oder den Menschen, die das Reich sind . Gaius Isana war früher Wehrhöferin Isana. Und davor die Freie Isana.« Sie lächelte angespannt und sprach den nächsten Satz ausdruckslos aus, ohne die Umhüllung von Sanftheit, die so vernichtend gewesen wäre wie ein gut geschliffenes Messer: »Und schon davor war sie die Mutter deines Freundes.«
Ehren warf ihr einen verstimmten Blick zu. Doch dann nickte er, in stummer Anerkennung der Tatsache, dass sie nicht auf die an der Akademie übliche, intrigante Art zugestoßen hatte.
»An Aquitanius’ Seite steht heute Abend alles, was vom Reich noch übrig ist«, sagte Veradis. »Wen aber hat die Erste Fürstin?«
Ehren trommelte mit dem Zeh auf dem Boden herum, dann nickte er kurz. »Kommt mit.«
Sie folgten ihm, als er sich schnellen Schrittes auf den Weg durch das Lager machte. »Wohin gehen wir?«, fragte Amara.
»Jeder Fetzen Kriegswirken, über den wir verfügen, wird gerade gesammelt«, sagte Ehren. »Eine Streitmacht von über fünfhunderttausend Vord marschiert auf uns zu. Sie werden die Verteidigungsstellungen binnen einer Stunde erreichen.«
»Wie sind sie so schnell hierhergekommen?«
»Wir wissen es nicht«, sagte Ehren. »Aber die logischste Erklärung wäre, dass sie die unterbrochenen Dammstraßen repariert haben.«
» Was ?«, fragte Veradis. »Hätten sie das denn in der Zeit, die ihnen zur Verfügung stand, überhaupt bewerkstelligen können? Unsere eigenen Pioniere würden dazu Monate, wenn nicht gar Jahre brauchen.«
»Die Arbeit ist nicht kompliziert«, sagte Ehren, »nur anstrengend und monoton. Wenn sie genügend begabte Erdwirker hätten, die sich auf die Aufgabe konzentrieren, wäre sie relativ schnell zu bewältigen. Die Dammstraßen sind nicht von Leuten mit den Fähigkeiten eines Civis errichtet worden. Wenn es nur darum geht, die Einschnitte zuzuschütten, könnte ein kraftvoller Civis mit dem entsprechenden Wissen theoretisch mehrere Meilen pro Tag reparieren.«
Amara stieß einen lästerlichen Fluch aus. »Das hat diese kleine Schleiche also gemeint!« Auf Ehrens Blick hin erläuterte sie: »Kalarus Brencis Minoris, der Sklaventreiber der Vordkönigin. Bevor ich ihn getötet habe, hat er gesagt, dass er sich wie befohlen darauf konzentriert hätte, mehr Erdwirker aufzutreiben.«
Ehren stieß die Luft zwischen zusammengebissenen Zähnen aus. »Jetzt erinnere ich mich an den Bericht. Wir hätten die Details schon früher miteinander in Verbindung bringen sollen.«
»In der Rückschau ist es immer einfacher«, sagte Amara und schloss zu ihm auf.
»Aber ist das nicht etwas Gutes?«, fragte Veradis. »Wenn die Straßen wiederhergestellt sind, können Octavians Truppen vielleicht schneller hierhergelangen.«
»Es ist unwahrscheinlich, dass sie sämtliche Dammstraßen
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