Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
jeder Holzart, die man in Tobyn-Ser finden kann. Komm mit«, befahl er dann, ging die Treppe hinauf und betrat das Gebäude.
Nach der strahlenden Schönheit, die das Gebäude von außen kennzeichnete, war Jaryd überrascht über die Kargheit drinnen. Inmitten des Versammlungssaals, auf einem einfachen Marmorboden, stand ein riesiger ovaler Tisch aus dunklem Holz. Schwere Stühle aus dem gleichen Holz umgaben den Tisch, und zwei etwas kunstvoller gearbeitete standen an einem Ende. Ein schmaler Holzstab mit einer horizontalen Stange, die offenbar als Sitzgelegenheit für den Vogel eines jeden Magiers diente, bog sich von der Rückenlehne eines jeden Stuhls nach oben. Milchweiße, halb durchsichtige Fenster zogen sich um das gesamte Gebäude und ließen überraschend viel Licht herein. Aber wie der Boden, der Tisch und die Stühle waren auch die Fenster vollkommen schlicht. Tatsächlich war der einzige Schmuck im Innenraum der Halle ein Gemälde innerhalb der Kuppel, das Amarid zeigte, der ein wenig zerbrechlich und bemerkenswert jung auf einer verschneiten Lichtung stand und den Arm hoch erhoben hatte. Auf diesen Arm flog, mit ausgebreiteten Flügeln und geöffnetem Schnabel, als stieße er gerade einen Ruf aus, ein kräftiger, wild aussehender Falke mit hellgrauem Bauch und schiefergrauen Flügeln zu.
»Es ist die gleiche Szene wie bei der Statue«, bemerkte Jaryd laut, mehr zu sich selbst als zu Baden.
»Ja«, bestätigte der Eulenmeister. »Amarids Bindung an Parne.« Sie blieben einen Augenblick schweigend stehen und betrachteten die gemalte Szene. Und Jaryd verspürte abermals jenes vage Unbehagen, das ihn schon auf der Straße beim Anblick der Halle erfasst hatte. Es war nun intensiver, aber immer noch nicht so recht zu begreifen. Er versuchte, den wirren Emotionen, die das riesige Porträt Amarids in ihm weckte, einen Namen zu geben, aber es war nicht möglich. Als Baden ihn anwies, ihm zu folgen, und hinzufügte: »Es gibt noch etwas anderes, was ich dir zeigen möchte, bevor du Jessamyn kennen lernst«, riss sich Jaryd widerstrebend von dem Gemälde los und folgte dem Eulenmeister zum anderen Ende der Halle.
Dort, zwischen zwei schlichten Holztüren, von denen eine geschlossen und die andere angelehnt war, ruhte auf einem schweren Holzständer ein immenser Kristall, zu groß, als dass Jaryd seine Arme darum hätte schlingen können. Er war unregelmäßig geformt, aber makellos klar. Jaryd wusste, dass es ein Ceryll war, aber anders als alle, die er je gesehen hatte, strahlte dieser weder Licht noch Farbe ab. »Der Rufstein«, sagte Baden mit tiefer Stimme, »verändert von Amarid persönlich, so dass er, wenn er geweckt wird, in einem Rhythmus pulsiert, der mit jedem anderen Ceryll in Tobyn-Ser verbunden ist. Das gestattet der Eulenweisen oder ihrem Ersten, alle anderen Mitglieder des Ordens hierher zu rufen. Dieser Stein ist ein Geschenk Amarids, nicht nur an den Orden, sondern an das ganze Land. Mit seiner Hilfe können wir schnell auf jede Krise reagieren, die Tobyn-Ser bedroht.«
»Wird er häufig benutzt?«, fragte Jaryd.
»Zum Glück nicht, nur wenn große Not besteht. Ich glaube, das letzte Mal geschah es, als Feargus starb und man die Eulenmeister zusammenrief, um einen neuen Weisen zu wählen.« Baden lächelte und zeigte auf die Tür neben der Stelle, an der sie standen.
»Und nun kannst du die Person kennen lernen, die wir gewählt haben.«
Der Eulenmeister klopfte an die Tür, und als sie von drinnen jemand hereinrief, schob er die Tür auf und führte Jaryd hinein. Die Gemächer der Eulenweisen waren ebenso bescheiden wie der Versammlungssaal, wenn man sie mit der äußeren Großartigkeit der Halle verglich. Das Zimmer, in dem sie sich nun befanden, war geräumig, rund und von der gleichen Art halb durchsichtiger Fenster beleuchtet wie der Versammlungssaal. Es hatte einen großen Marmorkamin, einen Boden aus poliertem Holz, der zum Teil von einem bunten Webteppich bedeckt war, und an den runden Wänden drei große Wandteppiche, die, wie Jaryd annahm, Szenen aus Amarids Leben zeigten. Ein Teil des Zimmers, das wohl der Schlafbereich war, war durch einen Vorhang abgetrennt, der in Muster und Farbe zu dem Teppich passte. Auf der anderen Seite dieses Vorhangs, nahe der Feuerstelle, standen ein niedriger Tisch aus hellem Holz und mehrere breite, bequem aussehende Sessel, deren helle blaugrüne Polster mit den Farben der Wandbehänge harmonierten. Zwei Menschen saßen dort und erhoben sich nun,
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