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Coetzee, J. M.

Coetzee, J. M.

Titel: Coetzee, J. M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eiserne Zeit
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aus.«
    »Trotzdem,
halten Sie ihn über sich«, beharrte er. Ich verstand. »Kommen Sie«, sagte er.
Ich folgte ihm.
    Um uns herum war eine
Wildnis aus grauem Dünensand und Port-Jackson-Weiden, und es stank nach Müll
und Asche. Plastikfetzen, Alteisen, Glas, Tierknochen lagen links und rechts am
Weg. Schon zitterte ich vor Kälte, doch als ich versuchte, schneller zu gehen,
pochte mein Herz unangenehm. Ich fiel zurück. Würde Florence auf mich warten?
Nein: amor matris, eine Macht, die nicht aufzuhalten war.
    An einer
Weggabelung wartete Mr. Thabane. »Danke«, keuchte ich, »Sie sind freundlich.
Tut mir leid, daß ich Sie aufhalte. Ich hab eine schlimme Hüfte.«
    »Nehmen Sie
meinen Arm«, sagte er.
    Männer überholten uns,
dunkel, bärtig, streng, mit Stöcken bewaffnet gingen sie rasch in Einerreihe.
Mr. Thabane trat vom Weg hinunter. Ich hielt mich enger an ihn.
    Der Weg
wurde breiter, endete dann in einem großen, flachen Tümpel. Auf der anderen
Seite des Tümpels fingen die Hütten an, die am tiefsten liegende Gruppe im
Wasser stehend. Einige stabil aus Holz und Eisen gebaut, andere nichts weiter
als Plastikfolien über Rahmen aus Ästen, lagen sie nach Norden über die Dünen
verstreut, so weit ich sehen konnte.
    Am Rande
des Tümpels zögerte ich. »Kommen Sie«, sagte Mr. Thabane. Mich an ihm
festhaltend, trat ich hinein, und wir wateten hindurch, das Wasser ging bis zu
den Fußgelenken. Einer meiner Schuhe wurde mir vom Fuß gesaugt. »Passen Sie auf
Glasscherben auf«, warnte er. Ich zog den Schuh heraus und wieder an.
    Bis auf eine alte Frau, die
mit hängendem Mund in einer Tür stand, war kein Mensch zu sehen. Doch als wir
weitergingen, begann der Lärm, den wir gehört hatten und den man zuerst für
Wind und Regen hätte halten können, sich in Rufe und Geschrei aufzulösen, über
einem Grundbaß, den ich nur als ein Seufzen bezeichnen konnte: ein tiefes
Seufzen, immer wieder, so als würde die weite Welt selber seufzen.
    Dann war
der kleine Junge, unser Führer, wieder bei uns, zupfte Mr. Thabane am Ärmel und
sprach aufgeregt. Die zwei entfernten sich; ich krabbelte hinter ihnen her den
Dünenhang hinauf.
    Wir
befanden uns im Rücken einer vielhundertköpfigen Menge, die auf einen
Schauplatz der Verwüstung hinabblickte: abgebrannte und schwelende Hütten, noch
brennende, schwarz qualmende Hütten, Haufen von Möbeln, Bettzeug,
Haushaltsgegenständen in gießendem Regen. Trupps von Männern waren damit
beschäftigt, den Inhalt brennender Hütten zu bergen, von einer Hütte zur
anderen gehend, Brände löschend; das jedenfalls dachte ich, bis mir mit einem
Schlag klar war, daß es keine Rettungstrupps waren, sondern Brandstifter; daß
sie nicht gegen die Flammen kämpften, sondern gegen den Regen.
    Es waren die Menschen, die
oben am Rand dieses Amphitheaters in den Dünen versammelt waren, von denen das
Seufzen kam. Wie Trauernde bei einer Beerdigung standen sie im schüttenden
Regen, Männer, Frauen und Kinder, durchnäßt, kaum die Mühe sich machend, sich
zu schützen, und sahen der Zerstörung zu.
    Ein Mann in einem schwarzen
Mantel schwang eine Axt. Krachend zersplitterte ein Fenster. Er attackierte die
Tür, die beim dritten Hieb nachgab. Wie aus einem Käfig freigelassen, flog eine
Frau mit einem Baby in den Armen aus dem Haus, gefolgt von drei barfüßigen
Kindern. Er ließ sie vorbei. Dann begann er, auf den Türrahmen einzuhacken. Die
ganze Struktur knarrte und quietschte.
    Einer von
seinen Mitstreitern ging mit einem Benzinkanister ins Innere. Die Frau huschte
hinter ihm her, tauchte mit den Armen voller Bettwäsche wieder auf. Als sie
aber einen zweiten Beutezug versuchte, wurde sie wie ein Bündel
hinausgeschleudert.
    Ein erneutes Seufzen
entstieg der Menge. Rauchfetzen begannen aus dem Inneren der Hütte zu wehen.
Die Frau kam auf die Füße, huschte nochmals nach drinnen, wurde wieder
hinausgeschleudert.
    Ein Stein
kam aus der Menge gesegelt und fiel polternd auf das Dach der brennenden Hütte.
Ein anderer traf die Wand, der nächste landete zu Füßen des Mannes mit der Axt.
Er schrie drohend zurück. Er und ein halbes Dutzend seiner Leute hielten inne
in ihrem Tun und kamen, Stöcke und Stangen schwingend, auf die Menge zu.
Schreiend wandten die Menschen sich zur Flucht, ich unter ihnen. Aber in dem
haftenden Sand konnte ich kaum die Füße heben. Mein Herz pochte, Stiche zuckten
mir durch die Brust. Ich blieb stehen, beugte mich vor, keuchend. Kann dies
wirklich mir zustoßen?

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