Coffee, Love & Sugar - Roman
gekümmert.«
Im Zimmer breitete sich ein Schweigen aus, das mir gefiel. Meine Bekanntmachung war neu für Sid und Nancy. Sie hatten nicht mitbekommen, dass ich mich heimlich aus dem Haus geschlichen hatte. Ich hatte ihnen eins ausgewischt.
Kapitel 15
Wie es aussieht, werde ich Sid und Nancy nicht so schnell wieder eins auswischen. Wie es aussieht, werden sie mein ganzes Tun und Lassen im Auge behalten, und sie werden sich um mich kümmern, ernsthaft.
Ich habe Hausarrest, so circa für alle Ewigkeit.
Ich darf nicht mehr im Java-Hutt-Café arbeiten. Ich darf Sugar Pie einmal die Woche sehen, aber nur, weil Fernando eingegriffen und Sid und Nancy gesagt hat, dass sie mich im Pflegeheim wirklich brauchen.
Aber jetzt muss ich im Pflegeheim genauso viel Zeit mit Kloputzen verbringen wie mit Besuchen bei Sugar Pie. Fernandos Rache.
Tja, und da ich nun auch keinen bezahlten Job mehr habe, werde ich mir den Rechtsanwalt nicht leisten können, der sich eventuell um diese ganze Mündigkeitsgeschichte gekümmert hätte.
Ich bin an dieses Haus Tausendschön gekettet, das eher wie ein Museum aussieht als wie ein Zuhause, in dem Menschen wohnen und atmen. Von meinem Zimmer mit Blick auf die Pacific Heights und die Marina kann ich direkt auf die alte Gefängnisinsel Alcatraz sehen. Wusstet ihr, dass die Gefangenen, die auf Alcatraz ausgesetzt wurden, tatsächlich von ihren Gefängniszellen aus hören konnten, wie die Leute in San Francisco lachten und Spaß hatten, weil der starke Seewind die Stimmen herüberwehte? Ich nenne mein Zimmer jetzt Alcatraz. Das ist meine einsame Insel, von der aus ich sehen kann, wie Leute draußen lachen und Spaß haben, und ich bin sicher, die dürfen alle bei ihren Freunden übernachten, ohne dafür eingesperrt zu werden.
Alle schleichen im Haus herum, als wäre es eine Leichenhalle. Sogar die Hyper-Geschwister werden eigentümlich. Jeder bemüht sich, wahnsinnig nett zu mir zu sein, als ob sie Angst hätten, ich würde mit meiner neuen Formel »Ich + Ingwerbrötchen Alcatraz Prinzessinnenzimmer« total durchdrehen. Wir flüstern miteinander und sagen ständig »bitte« und »danke«, als wären wir Fremde. Nach der Nacht voller Anschreien, Türenzuschlagen und Tränen will niemand den Frieden stören.
Ich schon. Aber ich warte den richtigen Augenblick ab.
Sid und Nancy haben mir verboten, Shrimp zu treffen, bis das neue Schuljahr anfängt. Sie sagten, wir bräuchten alle eine Abkühlungsphase. Ich weiß nicht, wovor sie solche Angst haben. Wenn sie nur ein bisschen Verstand hätten, würden sie sehen, dass er ein Traumfreund ist. Und es ist ja nun nicht so, dass ich eine keusche Jungfrau bin. Der Internatsdirektor hat dafür gesorgt, dass sie das wissen. Ich glaube, Nancy betreibt gerne das, was man im Gesellschaftskundeunterricht »Geschichtsrevisionismus« nennt, denn sie versucht, mich wegzusperren, als ob in mir noch etwas Heiliges geblieben wäre, das eine Rettung verdiente.
Josh und Ash folgen mir durchs Haus wie kleine Hunde. Sie sind es nicht gewohnt, dass ich so viel zu Hause bin. Aber egal wie oft Josh eine Imitation des Komikers Pee Wee Herman hinlegt oder Ash meine Haare flicht und mich ihren Schwabbelbauch beim Videogucken als Kopfkissen benutzen lässt, meine Laune wird nicht besser.
Ich brauche einen Shrimp.
Ich brauche einen Wallace und Geschichten von australisch-indonesischen Geliebten. Ich brauche Delia, die auf Spitzen um die Espressomaschine herumtanzt.
ICH BRAUCHE EINEN KAFFEE VOM JAVA-HUTT-CAFÉ! SOFORT!
Das Einzige, was man in Alcatraz tun kann, ist Helen Keller spielen. Als ich klein war, hat mir Nancy immer dieses Buch vorgelesen, in dem es darum ging, dass Helen blind und taub war und quasi jedes Hindernis überwand und eine beeindruckende Persönlichkeit wurde. Ich würde gerne eine beeindruckende Persönlichkeit sein. Also verbinde ich mir tief in der Nacht, wenn alle schlafen und ich mich lieber an Shrimp kuscheln würde, die Augen, mache Ohrstöpsel rein, um die Geräusche des Seewinds auszuschalten, und drücke Ingwerbrötchen an mein Herz und wir laufen im Piss-Prinzessinnenzimmer herum und spüren die harten Wände und pressen die Wangen an die kalten Fensterschreiben. Das Leid, ohne Augenlicht und Gehör zurechtkommen zu müssen, wird uns eines Tages hoffentlich einen beeindruckenden Weg weisen.
Helen war zwar nicht stumm, aber ich versuche, es zu sein. Ich spreche mit Nancy nur, wenn ich muss. Wenn wir morgens aneinander vorbeihuschen und uns
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