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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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Hand an und bereute es bitterlich, dass ich es nicht über mich gebracht hatte, sie zu benutzen. Dann ließ ich sie fallen und lief zu Willy, der mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rücken lag. Während ich ihm aufhalf und ihn zu seiner Wohnung brachte, erzählte ich ihm so viel, wie ich für nötig hielt, über das Notizbuch – dass sie alle hinter diesem Buch her waren und nicht hinter mir, und dass dieses Buch einen großen Wert hatte, während ich vermutlich als völlig verzichtbar galt.
    Als ich schließlich fertig war, sagte Willy: »Gib mir eine Zigarette.« Ich stand auf, zog eine aus der zerbeulten Blechdose, schob sie ihm zwischen die Lippen und zündete sie an. Er zog ein paar Mal daran, und dann sagte er »Mehr brauche ich nicht. Mach sie wieder aus.«
    Ich drückte sie in einer Kaffeetasse aus und sagte: »Diese Dinger werden dich irgendwann umbringen.«
    »Das wäre zumindest ein langsamerer Tod als durch die Hände dieses Irren«, antwortete er. »Oder durch deine, mit dieser Knarre.«
    »Er hat meiner Familie wehgetan.«
    »Weißt du das genau?«
    »Ich weiß genau, dass er dir wehgetan hat.«
    Willy nickte und räusperte sich. »Ich habe dir nie erzählt, wie meine Tochter ums Leben kam.«
    »Du hast nur gesagt, durch Autos und Alkohol.«
    Willy nickte wieder und schürzte dann die Lippen. »Dabei habe ich nicht erwähnt, dass ich das Auto fuhr, in dem sie starb. Und dass der Alkohol in meinem Körper war.«
    »Oh … Willy …«
    »Verstehst du, ich habe meine eigene Tochter getötet, Sara Jane. Ich war betrunken, und ich hätte nicht hinterm Steuer sitzen sollen, aber sie hat mir vertraut. Sie starb und ich überlebte, und ich werde nie begreifen, wie sich das Universum so sehr irren konnte.« Seine Augen hinter den Brillengläsern waren feucht, aber seine Stimme war fest. »Ja, es war ein Unfall. Aber die Drinks, die ich vorher gehabt hatte, die waren kein Unfall. Ich wollte meine Tochter nicht töten, aber ich tat es am Ende doch. Ich habe sie mehr geliebt als mein Leben, und trotzdem … dieser Fleck lässt sich niemals rauswaschen.«
    »Willy«, sagte ich und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Und jetzt hör mir mal zu«, sagte er. »Du willst ein solches Krebsgeschwür nicht in deiner Seele. Ich weiß, dass dein ganzes Leben durcheinander ist und dass ein paar sehr üble Typen hinter dir her sind. Aber der eigentliche Kampf ist der zwischen deinem Verstand und deinem Herzen. Du musst dich entscheiden – zwischen dem, von dem du weißt, dass es richtig ist, und dem, von dem du glaubst, dass es getan werden muss. Jemanden zu töten, vor allem, wenn es mit Absicht geschieht …« Seine Stimme verebbte. Er räusperte sich wieder und sagte: »Tu dir das nicht an, Mädchen. Versprich mir das.«
    »Willy, wir müssen einen Arzt rufen …«
    »Versprich es mir«, sagte er und fixierte mich mit einem Blick, in dem tiefste Reue lag.
    »Okay«, sagte ich. »Ich verspreche es.«
    Anschließend machte ich es ihm so bequem wie möglich und rief einen Krankenwagen. Als ich sah, dass er eingedöst war, schlich ich mich aus der Wohnung, kletterte hoch zum Krähennest und schnappte mir den Aktenkoffer. Schnell überprüfte ich, ob alles drin war – Geld, Kreditkarte und natürlich das Notizbuch –, und dann erinnerte ich mich an die Pistole. Auf dem Weg zum Ausgang kletterte ich in den Ring, holte die Waffe und schrieb schnell noch etwas auf ein paar Zettel. Dann öffnete ich die Tür zur Wohnung, damit der Notarzt Willy sofort finden würde, ließ den blutigen, zerrissenen Kittel liegen, den ich mir aus dem Krankenwagen geborgt hatte, und verließ das Studio. Draußen ließ ich an jeder Ecke ein Stück Papier liegen, auf dem unter einem Pfeil stand: Zu dem Verletzten mit den gebrochenen Armen.
    Als ich in den Lincoln stieg und den Motor startete, hörte ich bereits die Sirenen.
    Mir rannen die Tränen über die Wangen, und ich fragte mich, ob ich Willy je wiedersehen würde.
    Und ich fragte mich, ob ich ihm je wieder würde in die Augen sehen können, falls ich doch mein Versprechen brach.

15
    Selbst auf der Flucht ist es wahrscheinlich ziemlich ungewöhnlich, eine Nacht mit einem blutigen Kopfverband in einem Armee-Feldbett über einem nach Schweiß stinkenden Boxstudio zu schlafen, um in der nächsten von einem uniformierten Türsteher begrüßt zu werden und etwas später in der Vier-Sterne-Suite eines Hotels erst die Dampfdusche mit Whirlpool zu genießen und dann an einen warmen Fleck

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