Colin Cotterill
zwischen ihm und Siri. Wie konnte dieser vertrocknete alte Quacksalber es wagen, sich über ihn lustig zu machen?
Er durchforstete sein Arsenal und fand ein Heilmittel für Siris krankhafte Neugier. Er übte sich in Geduld. Er wusste, wie spät Siri nach Hause gekommen war, und ließ ihm Zeit, sich bettfertig zu machen. Der alte Mann hatte getrunken, darum würde er schnel müde werden. Khen Nahlee ging durch den stil en Tempelgarten und sah zu dem offenen Fenster hinauf. Das Licht war aus. Der Alte schlief. Zu dumm, dass ihm die paar Sekunden Panik erspart blieben, wenn er die Granaten ins Zimmer fliegen sah.
Er zog die Splinte und schleuderte sein Abschiedsgeschenk durchs Fenster.
Er brauchte nicht zu warten. Er wusste, was für Verheerungen es anrichten würde. Er war schon fast am Tempeltor, als die Sprengladungen explodierten, trotzdem drehte er sich nicht noch einmal um.
Er trug sich mit dem Gedanken, das Mädchen und den Schwachkopf aus dem Leichenschauhaus umzubringen, wie sein Chef es vorgeschlagen hatte. Aber wer würde auf die schon hören? Nein. Nun musste er nur noch die Beweise vernichten. Die Klinikküche war unverschlossen. Das bil ige Pflanzenöl brannte gut. Er sah zu, wie die Flammen sich nach oben in die Bibliothek durchfraßen und die alten, trockenen Bücher verschlangen. Der leuchtende Abschluss eines schweren Arbeitstages. Endlich war es vorbei.
Noch in derselben Nacht erstattete er seinem Chef Bericht. Sie trafen sich im Pavil on hinter Khams Haus. Es war ein Uhr morgens. Aber der altgediente Genosse schlief ohnehin kaum eine Nacht durch. Die beiden Männer hatten sich schon tausend Mal zu dieser frühen Stunde zu Besprechungen getroffen, aber noch nie war es dabei um so persönliche Dinge gegangen.
Genosse Kham hatte die Geheime Einsatztruppe, kurz GET, vor etwa zwanzig Jahren ins Leben gerufen, als er selbst noch Uniform getragen hatte.
Angefangen hatte es mit einer kleinen Abteilung, die Informationen sammelte und analysierte: ein bescheidener LPLA-Abklatsch der CIA. Obwohl kaum jemand davon wusste, wurden über al e ranghohen Parteimitglieder und sämtliche Personen, die sich »unkooperativ« oder »asozial« verhielten, Akten angelegt.
Von Zeit zu Zeit erwies sich die faule Mango im Korb als derart verdorben, dass drastische Maßnahmen ergriffen werden mussten. Anfangs achtete man darauf, nur solche Elemente zu eliminieren, die der Bewegung schaden konnten. Aber Macht korrumpiert, und es wurde gemunkelt, dass Kham nur deshalb so rasch Karriere hatte machen können, weil ein oder zwei politische Gegner »verschwunden« waren.
Als die Laotische Patriotische Front zu einer ernst zu nehmenden politischen Kraft heranwuchs, änderte sich auch die Organisationsstruktur der GET. Einer ihrer Flügel entwickelte sich zu einer halb autonomen Todesschwadron, und Khen Nahlee wurde 1970 zu ihrem Anführer ernannt. Er war für diesen Posten wie geschaffen. Er war intel igent und der Partei so sklavisch ergeben, dass er schon als Jugendlicher für sie getötet hatte. Vor al em aber erwies er sich als ein meisterhafter Untergrundagent. Im Lauf der Jahre hatte er Namen und Identität so oft gewechselt, dass nicht einmal seine eigenen Leute behaupten konnten, ihn zu kennen.
Er war ein loyaler Gefolgsmann des Gruppengründers und befolgte Khams Befehle blind und ohne Zögern in der Gewissheit, dass er mit seiner Arbeit die Bewegung stärkte. Doch als Kham ihm in der abendlichen Kälte des Flugplatzes von Xieng Khouan sein Geheimnis anvertraute, war klar, dass sich ihr Verhältnis ändern musste. Der Genosse hatte seine Frau ermordet, und Khen sol te das in Ordnung bringen.
Es gab kein herkömmliches Motiv, keine Eifersuchtsgeschichte, keine Lebensversicherung. Kham konnte sie nur einfach nicht mehr ertragen. Er ertrug es nicht, dass er seit ihrem Umzug in die Hauptstadt die zweite Geige spielte. In Friedenszeiten hatte sich die Laotische Frauenunion zu einer politischen Kraft gemausert. Folglich gab sie der Nachrichtenagentur Khaosan ein Interview. Sie sprach im Radio. Sie redete vor den Studenten an der Universität Dong Dok. Und er? Er war auf einmal nur noch der Mann der Genossin Nitnoy. Die Leute wussten nicht einmal mehr, wie er hieß.
Und so brachte er sie um. Als ihm die Zyanidtabletten in die Hände fielen, war das wie ein Wink des Schicksals. Höhere Gewalt. Das unglückliche Paar war betrunken von einem Parteiempfang gekommen, wo sie der Star gewesen war und er sich ungeachtet seines
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