Colin Cotterill
hohen Ranges mit der Rol e des Begleiters hatte begnügen müssen. Als sie bewusstlos aufs Bett sank, ging er in sein Arbeitszimmer und tat die präparierten Pil en in ihr Fläschchen.
Aber erst nachdem sie morgens mit den Tabletten in der Handtasche aus dem Haus gegangen war, dachte er ernsthaft über die ganze Sache nach. Es getan zu haben genügte nicht; er musste auch damit davonkommen. Kham fuhr eine Woche nach Xieng Khouan, wo er sich mit Khen Nahlee traf und ihm eröffnete, was er getan hatte. Sein treuer Gehilfe versprach, die Sache wie üblich aus der Welt zu schaffen. Khen flog in die Hauptstadt und wartete. Drei Tage später erhielt Kham die Nachricht von Frau Nitnoys Tod. Khen Nahlee brauchte weiter nichts zu tun, als in eine Uniform zu schlüpfen und das Corpus delicti bei der Frauenunion abzuholen.
Doch es lief leider nicht so glatt, wie der Genosse es sich ausgemalt hatte.
Das Pil enfläschchen war nicht in ihrer Tasche, und Khen wol te die Aufmerksamkeit nicht darauf lenken, indem er ein zweites Mal zur LFU ging.
Und so konnte Kham nur hoffen, dass die Sache sich von selbst erledigen würde. Aber er hatte die Rechnung ohne Siri gemacht. Er hatte den Pathologen wider Wil en für unerfahren und inkompetent gehalten, aber das war offenbar ein Irrtum. Hätte er geahnt, wie hartnäckig der Doktor war, hätte er ihn nicht so sträflich unterschätzt.
Der Kerl wusste Bescheid. Irgendwie war ihm der kleine Pathologe auf die Schliche gekommen, und Kham hatte Angst, dass er früher oder später reden würde. Ihm blieb keine andere Wahl. Er befahl Khen Nahlee, den Arzt zu töten, bevor das Ergebnis seiner Untersuchungen publik wurde.
Der Genosse war immer schon ein schicksalsgläubiger Mensch gewesen. Ein neues Projekt begann er stets an einem verheißungsvol en Datum, und er befragte die Sterne. Es war Schicksal, dass ihm das Zyanid in die Hände gefal en war, und es war Schicksal, dass sie es kurz darauf genommen hatte.
Bis dahin war ihm das Glück hold gewesen. Der Kil er hatte noch nie versagt; als seine Kugeln an jenem Abend über Siris Kopf hinwegschwirrten, war dies das erste Anzeichen dafür, dass sich das Schicksal gegen den Genossen Kham gewendet hatte. Siri war noch einmal davongekommen, und sein Verfolger musste sich etwas anderes einfal en lassen.
Er ließ Khen Nahlee einen Suizid Vortäuschen. Ein Mord an einem x-beliebigen Mädchen, und die Sache war vom Tisch. Für einen mächtigen Mann wie ihn war es nichts Ehrenrühriges, von seiner Geliebten angehimmelt zu werden. Da lag es nahe, dass sie ihre Nebenbuhlerin beseitigt und sich danach das Leben genommen hatte. Die Polizei war zufrieden. Er gab eine tränenreiche Presseerklärung ab. Und fertig.
Dann kam Siri zurück und machte ihm von neuem einen Strich durch die Rechnung. Es gab wirklich nur eine Möglichkeit, das Schicksal herauszufordern. Al er irdischen Logik zufolge konnte Siri einem zweiten Mordversuch unmöglich entgehen. Nichts Menschliches konnte ihn vor dem Tod bewahren.
Aber jetzt saß der altgediente Genosse am hel lichten Nachmittag al ein in seinem leeren Haus, betrunken. Er hatte die Parlamentssitzung während der Feier zu Ehren der Helden der Revolution verlassen und sämtliche Fragen ignoriert. Er hatte seinen Chauffeur fortgeschickt und die Limousine selbst nach Hause gefahren. Er hatte seit vier Tagen nicht geschlafen; die Heimfahrt war ihm nur noch verschwommen in Erinnerung.
Mit Menschen konnte er es aufnehmen. Das hatte er immer wieder bewiesen.
Doch hier hatte er es mit etwas zu tun, das al es, was er kannte, in den Schatten stel te. Sein Gegner war ein Geist. Seine Frau wol te ihn nicht vergessen lassen, was er ihr angetan hatte. Sie spukte durch seine Albträume, und sie stand hinter Siri und beschützte ihn. Irgendetwas sagte ihm, dass er sein Lebtag keine ruhige Nacht mehr verbringen würde, und dieser Gedanke war ihm unerträglich.
Er drehte das Radio vol auf und stel te den thailändischen Rundfunk ein. Ein Ahnenforscher erklärte gerade, weshalb laotische Kommunisten körperlich so unattraktiv seien. Er hörte weiter zu, weil er wissen wol te, warum er so hässlich war, und als am Ende der Sendung die Musik anschwol , jagte er sich eine Kugel in den Kopf.
22
MAN STIRBT NUR DREI MAL
Khen Nahlee hatte nicht versagt. Noch nicht. Obwohl sein Widersacher mit Glück reichlich gesegnet war, hieß das noch lange nicht, dass er versagt hatte. Der Chef hatte ihm befohlen, in den Norden zurückzukehren. Und
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