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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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Armee von Soldaten in Festuniform kam in den fast fertigen Speisesaal marschiert. Die Männer stel ten sich entlang der Wände auf.
    »Hoppla. Sieht ganz so aus, als wäre unser Gast zu früh. Da werden Sie wohl oder übel mit uns zu Mittag essen müssen, Doktor.«
    »Lieber nicht. Warum eigentlich dieser ganze Wirbel um die Frau eines mongolischen Präsidenten?«
    »Die Mongolei stiftet der LFU ein erkleckliches Sümmchen zur Förderung der Mädchenbildung in der Provinz.«
    Siri fragte sich, was die Mongolen dafür als Gegenleistung erhielten, ließ sich seinen Zynismus aber nicht anmerken. Er dankte Dr. Pornsawan und ging auf die Flügeltür zu, die aus der Kantine führte. Im wirren Gedränge an der Tür lief er einer kleinen Frau in die Arme, deren Züge sich in der Mitte ihres Gesichts zu konzentrieren schienen. Sie war umringt von größeren Männern und Frauen in Anzügen und Seidenkleidern. Da er ein Mann war, hielt die kleine Frau ihn offenbar für einen Würdenträger und streckte ihm die Hand hin.
    Siri nahm sein Baguette von der rechten in die linke Hand und schlug ein. Für eine Präsidentengattin hatte sie einen ziemlich festen Händedruck. Sie sah zu ihrem Dolmetscher und stel te ihm eine Frage. Worauf er dem Chinesischdolmetscher eine ähnliche Frage stel te, die dieser wiederum an den Lao-Chinesisch-Dolmetscher weitergab, der Siri fragte, wer er sei.
    »Ich bin der amtliche Vorkoster. Man kann schließlich nie wissen.« Er machte eine höfliche Verbeugung und ging weiter. Als die stil e Post bei der Präsidentengattin angekommen war, stand er längst in der warmen Mittagssonne.
    3
    REQUIEM FÜR EINEN FISCHER

    Da sein Baumstamm am Fluss buchstäblich in weiter Ferne lag und ihm obendrein der Magen knurrte, ging er schnurstracks zum Mekong hinunter und suchte sich ein schattiges Plätzchen unter einem Baum, wo er sein Baguette in Ruhe vertilgen konnte. Heute schmeckte ihm sein Mittagessen besonders gut. Er bildete sich ein, dass er sich nicht nur anders fühlte als sonst, sondern auch anders aussah, ganz so als sei er in Verkleidung unterwegs.
    Als junger Mann in Paris hatte er die wöchentlichen Fortsetzungsromane eines gewissen Monsieur Sim im LÓeuvre mit Begeisterung verfolgt. Sie schilderten die Ermittlungen eines Inspektors der Pariser Polizei, der, bewaffnet mit nichts als einer Pfeife, selbst die kompliziertesten Rätsel löste.
    Als er nach Vietnam kam, erfuhr er zu seiner Freude, dass Monsieur Sim seinen vol en Namen wieder angenommen hatte und Simenons Maigret-Krimis nun auch in Buchform erschienen. Die Franzosen in Saigon hatten sie meterweise in den Regalen stehen, und einige Exemplare gelangten auf Umwegen nach Norden, wo die kommunistischen Kader, die ihre entscheidenden Lebensjahre in Frankreich verbracht hatten, sie gierig verschlangen.
    Siri hatte die meisten Fäl e schon geklärt, bevor der Inspektor die Lösung auch nur ahnte - dabei rauchte er noch nicht einmal. Jetzt und hier, unter den wogenden Ästen des Samsabaums, hatte er mit einem Mal das unbestimmte Gefühl, dass zusammenwuchs, was zusammengehörte. Detektiv und Pathologe wurden eins. Ein angenehmes Gefühl. Ein Mann jenseits der siebzig musste jeden Strohhalm, der sich ihm bot, mit beiden Händen ergreifen.
    Er ging am Fluss entlang zurück, doch als er bei der Klinik ankam, folgte er nicht dem Ruf der Pflicht, sondern seinem Instinkt. Er hielt ein Songtheo an, eines der immer seltener werdenden Sammeltaxis, die auf den Straßen von Vientiane ihre Dienste anboten. Er sagte dem Fahrer, wo er aussteigen wol te, und quetschte sich zwischen die Dorfbewohner, die sich bereits auf den Sitzen drängten. Das Songtheo folgte dem Fluss in östlicher Richtung, stadtauswärts. Er war nie so vol , dass es nicht noch mehr Fahrgäste aufnehmen konnte.
    Zwanzig Minuten später ließ sich Siri von einem kräftigen Mädchen mit einem jungen Hahn unter dem anderen Arm aus dem Vehikel helfen. Er drückte dem Fahrer seine fünfzig Kip de liberation in die Hand und überquerte die Straße.
    Vor der frisch getauften Mekong River Patrol blieb er einen Moment stehen und fragte sich, was er hier eigentlich zu suchen hatte. Die MRP, eine Art Marine in einem Land ohne Meer, hatte die nahezu unlösbare Aufgabe, die lange Flussgrenze zu überwachen.
    Bei den Lotsen der eilends umgebauten Flussfähren handelte es sich um Soldaten, denen man in einem vierzehntägigen Lehrgang beigebracht hatte, Boote zu steuern, die so laut waren, dass man sie

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