Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
Vom Netzwerk:
e durcheinanderliefen und ihm niemand auch nur die leiseste Beachtung schenkte. Er musste sich einer vorbeieilenden jungen Frau fast vor die Füße werfen, um seine Frage loszuwerden.
    »Wissen Sie, wo ich Dr. Pornsawan finde?«
    Sie wurde nervös. »Ah, die muss hier irgendwo sein. Haben Sie einen Termin?«
    »Nein. Brauche ich denn einen?«
    »Sie hätten vorher anrufen sol en. Heute geht es hier ziemlich chaotisch zu.
    Die Frau des mongolischen Staatspräsidenten kommt zu Besuch.«
    Siri kam sich vor wie in einem fremden Land. Hast und Hektik. Telefone und Termine. So etwas gab es in Laos normalerweise nicht. Termine kannte man hier nicht: Man schaute einfach vorbei und fragte nach der gewünschten Person; wenn sie da war, wartete man eine Stunde, wenn nicht, ging man nach Hause.
    Wie kamen diese Unionsfrauen nur auf so etwas? Und warum dieser Wirbel um die Frau des mongolischen Präsidenten?
    Nachdem er zwei weitere schwerbeschäftigte junge Damen nervös gemacht hatte, fand er Dr. Pornsawan in der Kantine, wo sie handgefertigte Dekorationen aus Plastiktrinkhalmen aufhängte. Hinter der Bühne hing ein großes Spruchband mit der Aufschrift WIR HEISSEN UNSERE FREUNDE
    AUS DER MONGOLEI HERZLICH WILLKOMMEN, auf Lao und Französisch, zwei Sprachen, die die Frau des Präsidenten vermutlich nicht einmal lesen konnte.
    Pornsawan war weniger nervös und sehr viel aufgeschlossener als ihre Unionsgenossinnen. Sie hatte von dem berühmten Dr. Siri gehört und begnegnete ihm aus rätselhaften Gründen mit großem kol egialen Respekt.
    Trotzdem zwang sie ihn, während ihres Gespräches Baumwol faden an rote und blaue Strohhalme zu binden. Sie war eine schlanke Mittdreißigerin ohne Augenbrauen. Nachdem sie kurzzeitig in ein Kloster eingetreten war, hatten die Nonnen sie ihr abrasiert, und sie waren nie wieder nachgewachsen. Sie war derart uneitel, dass sie sich nicht die Mühe machte, mit Schminke nachzuhelfen, geschweige denn sich neue Brauen tätowieren zu lassen. Das verlieh ihr ein besonders reinliches Aussehen.
    »Sie sind wegen Frau Nitnoy hier.«

    »Ja. Sie saßen doch bei ihr am Tisch, als sie starb?«
    »Genau gegenüber.«
    »Sie hat von denselben Tel ern gegessen wie al e anderen?«
    »Aha. Das ist ja interessant.«
    »Was?«
    »Sie haben sie zwar obduziert, sind aber nach wie vor überzeugt, dass sie vergiftet worden ist.«
    Ein Hauch von Rot färbte Siris Wangen. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Nur so ein Gedanke. Entschuldigen Sie.« Sie blickte lächelnd auf die Strohhalme in ihrer Hand. »Sie hat dasselbe gegessen wie wir, und wir hatten schon angefangen, als sie kam. Sie aß ein wenig Klebreis mit Chili und Fischsauce. Nach dem zweiten oder dritten Bissen, sie hatte ihn noch nicht heruntergeschluckt, bekam sie plötzlich so einen glasigen Blick. Sie spuckte den Reis aus, sabberte ein wenig und sackte vornüber auf den Tisch.
    Ich habe noch versucht, sie wiederzubeleben, aber ich glaube, sie war auf der Stel e tot. Sie hat weder gewürgt, noch ist sie blau angelaufen. Sie ist einfach gestorben. Ich habe es mit Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung probiert, aber da war nichts mehr zu machen.«
    »Sagt Ihnen der Begriff Gnathostomiasis etwas?«
    »Ja. Ich habe im Lauf der Jahre zahlreiche Patienten an Parasiten verloren.
    Aber daran ist Frau Nitnoy nicht gestorben.«
    »Woher wol en Sie das wissen?«
    »Es ist ein sehr schmerzhafter Tod. Er kommt zwar sehr plötzlich, aber die letzten Minuten sind äußerst qualvol . Frau Nitnoy war bis wenige Sekunden vor ihrem Tod völ ig normal.«
    »Ganz recht. Sie haben sie anscheinend keinen Moment aus den Augen gelassen.«
    »Ich habe mich die ganze Zeit mit ihr unterhalten.«
    »Hat sie zufäl ig über Kopfschmerzen geklagt?«

    »Komisch, dass Sie danach fragen. Aber ja. Genau darüber haben wir gesprochen. Sie hatte einen schrecklichen Kater. Frau Nitnoy trank gern mal ein Bier, und am Abend zuvor war sie bei einem Empfang gewesen. Sie hatte ein wenig zu tief ins Glas geschaut und war mit rasenden Kopfschmerzen aufgewacht. Wären die Vorbereitungen für den heutigen Besuch nicht gewesen, hätte sie sich vermutlich krankgemeldet.«
    »Hat sie etwas dagegen genommen?«
    »Schmerztabletten.«
    »Hatte sie hier einen eigenen Schreibtisch?«
    »Sie hatte sogar ein eigenes Büro, aber da werden Sie die Tabletten nicht finden. Sie waren in ihrer Handtasche.«
    »Die hatte sie aber nicht bei sich, als sie eingeliefert wurde.«
    Eine Aufseherin schwebte durch den Saal und bel

Weitere Kostenlose Bücher