Colin Cotterill
meilenweit hören könnte.
Wer den Fluss il egal überqueren wol te und nicht gerade stocktaub war, konnte sich ohne Weiteres verstecken und abwarten, bis das gepanzerte Gefährt vorbeigetuckert war.
Siri wurde über den Hof zum Kapitänswohnheim geschickt.
Dort saßen die Skipper der Nachtschicht und spielten Karten oder standen im Kreis und kickten sich einen Rattanbal zu. Er hatte Glück. Nach einem bedauerlichen Zwischenfal war der Gesuchte zur Nachtstreife versetzt worden. Kapitän Bounheng saß in einem Rohrstuhl und schaukelte gemächlich, wie ein Greis. Dabei war er höchstens Mitte zwanzig.
Siri stel te sich vor und schüttelte dem jungen Mann die Hand.
»Was halten Sie von einem kleinen Spaziergang?«
Bounheng war verwirrt, folgte Siri jedoch trotzdem in die trockenen Reisfelder hinaus. »Ist das üblich?«
»Sie meinen, dass ein Pathologe Ermittlungen anstel t? Aber ja. Es ist sogar die Regel. Ich verbringe genauso viel Zeit mit Befragungen wie mit der Obduktion von Leichen. Reine Routine. Berichte. Sie wissen schon.«
Bounheng wirkte erleichtert. »Er hatte da eigentlich nichts verloren.«
»Der Fischer?«
»An der Anlegestel e ist Fischen ausdrücklich verboten.« Der Kapitän lief absichtlich ein Stück voraus, und Siri hatte al e Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
»Verstehe. Der alte Trottel. Diese Fischer sind einfach strohdumm.Tun nie, was man ihnen sagt.« Er trabte dem davoneilenden Mann hinterher. »Und wie steht es mit Ihnen?«
»Mit mir?«
»Ja. Seit wann hatten Sie… das Kommando über das Boot?«
Er zögerte. »Nun ja, die Einheit ist ganz neu. Sie besteht noch nicht sehr lange.«
»Aha. Das heißt? Monate? Wochen?«
»Eine Woche.«
»Und ich nehme an, die Arbeit ist anstrengend.«
»Anstrengend?«
»Das wil ich doch meinen. Angriffe der Antikommunisten vom anderen Ufer abzuwehren ist schließlich keine Kleinigkeit.«
Bounheng musste unwil kürlich lachen. »Dr. Siri, ich war zwei Jahre im Norden und habe Mann gegen Mann gekämpft. Dagegen ist das hier die reinste Vergnügnungsfahrt. Kein halbwegs vernünftiger Antikommunist käme auf die Idee, in einer so dicht besiedelten Gegend eine Armada über den Fluss zu schicken. Anstrengend sind al enfal s die Dorfbewohner, die nach Thailand rüber schwimmen wol en. Wenn der Fluss so wenig Wasser führt, versuchen viele ihr Glück.«
»Mit anderen Worten, Sie schieben eine ziemlich ruhige Kugel.«
»Es geht eher friedlich zu.«
»Wie schnel fahren Sie?«
»Zehn Knoten. Streng nach Vorschrift.«
»Beneidenswert. Ich sol te mich bewerben.«
Diesmal klang Bounhengs Lachen ein klein wenig nervös.
»Aber ich…«
»Was?«, fragte der Kapitän.
»Nicht so wichtig. Ich habe genügend Material für meinen Bericht. Schon gut.«
»Nein. Fragen Sie.«
»Also, wenn Sie mit zehn Knoten unterwegs waren und anlegen wol ten…«
»Ja?«
»Dann müssten Sie doch eigentlich genug Zeit gehabt haben, um abzudrehen, als Sie den Fischer sahen, oder?«
Sofort wandte Bounheng den Blick ab und marschierte weiter querfeldein.
»Wie gesagt, der Mann hatte da nichts verloren.«
»Aber Sie hatten doch einen Lotsen an Bord, nicht?«
Bounheng trug offenbar eine Armbanduhr, die ihm jedoch irgendwie abhandengekommen war. Er starrte auf sein Handgelenk und fluchte lauter als nötig, als er ihr Fehlen bemerkte. »Ich muss zurück. Und hatten Sie nicht ohnehin genügend Material für Ihren Bericht?«
»Aber ja, Verzeihung. Ich wol te Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Danke für Ihre Hilfe.«
Auf dem Rückweg verlangsamte Bounheng seine Schritte ein wenig und gewann seine Beherrschung zumindest teilweise zurück. Jedenfal s bis er bemerkte, dass Siri nicht mehr bei ihm war. Er drehte sich um und sah, dass der Doktor stocksteif mitten in dem brachliegenden Feld stand und auf die verdorrten Stoppeln starrte.
»Was ist, Doktor?« Er ging zu ihm, weil er wissen wol te, was Siri da so Interessantes entdeckt hatte. Aber der Doktor hatte nichts entdeckt. Er konstruierte eine Hypothese. Als er zu kichern anfing, wurde dem Kapitän unbehaglich zumute. »Doktor?«
Siri blickte auf und sah ihm in die Augen. »Also gut, junger Mann. Ich habe eine Theorie. Viel eicht handelt es sich auch nur um die unausgegorenen Fantasien eines alten Mannes, trotzdem wil ich sie Ihnen verraten. Wie mir scheint, wird al erhand über den Fluss geschmuggelt. Die meisten Zigaretten und der meiste Schnaps in Laos kommen aus Thailand.«
»Was sol
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