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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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das…?«
    »Warten Sie’s ab.« Siri bemerkte, dass der letzte Rest freundlicher Farbe aus Bounhengs Gesicht gewichen war. Der Kapitän hatte die Hände in die Hüften gestemmt. »Ich nehme an, Sie und Ihre Kol egen sind bisweilen… versucht, ein Auge zuzudrücken. Wenn nicht gar Ihre Dienstpläne entsprechend zu ändern.«

    »Wol en Sie damit andeuten… ?«
    »Damit wil ich andeuten, dass für jede zweihundert Kisten Whisky, die Sie großzügig passieren lassen…« Bounheng kehrte Siri den Rücken zu.
    »…mindestens eine als eine Art Dankeschön an Bord eines River-Patrol-Bootes landet. Ich wil andeuten, dass die Besatzung Ihres Bootes und Ihr Skipper an dem Abend, als der Fischer seine Beine und damit auch sein Leben verlor, vol waren wie die Strandhaubitzen. Mit anderen Worten, Sie waren so besoffen, dass Sie Ihr Boot nicht für drei Kip unter Kontrol e hatten; das Boot, das Sie überhaupt erst seit einer Woche steuern konnten.«
    Bounhengs Schultern bebten leise, und Siri trat einen Schritt näher. »Ich wil andeuten, dass nicht etwa der Fischer am falschen Platz war, sondern Sie.
    Und als Sie das merkten, waren Sie der Kaimauer bereits so nahe, dass Sie nicht mehr abdrehen konnten. Ich wil andeuten, dass Mekong-Whisky den alten Mann das Leben gekostet hat.«
    Er blickte Bounheng ins Gesicht. Tränen rol ten über seine Wangen, und sein Mund war schmerzverzerrt. Siri stand schweigend da, von seinen eigenen Worten überwältigt. Das Adrenalin hatte sich in seinem Magen gesammelt und rumorte dort wie Motten in einem Glas. Es dauerte ein paar Minuten, bis der junge Mann seine Stimme wiedergefunden hatte. Er konnte Siri nicht in die Augen sehen. »Welcher… welcher von den Jungs hat Ihnen das verraten?«
    »Jungs?«
    »Die Besatzung.«
    »Nein, mein Freund. Ich habe weder mit Ihrer Besatzung gesprochen noch mit irgendwelchen Zeugen.«
    Bounheng sah ihn aus verweinten Augen an.
    »Der Fischer selbst hat es mir verraten.«
    Der Kapitän ließ den Kopf hängen und schluchzte, als lastete das ganze unermessliche Gewicht des Flusses auf seiner schmalen Brust. Siri, der es nicht über sich brachte, dem Leiden des jungen Mannnes tatenlos zuzusehen, trat vor ihn hin und nahm ihn in die Arme. Er spürte den Kummer, der in Bounhengs Körper wütete, und begriff, wie sehr der junge Mann wegen seiner Dummheit schon gelitten hatte. Es gab nichts mehr zu sagen.

    Auf Grund einer glücklichen Fügung der Zeit und der Geschichte war er der menschlichen Justiz entronnen. Unter der Justiz der Reue, den Albträumen der Schuld hingegen sol te er noch viele Jahre zu leiden haben. Ein Soldat kann im Felde tausend Feinde töten und dabei nicht das Geringste empfinden. Aber der Tod eines unschuldigen Menschen gräbt sich auf ewig ins Gewissen.
    Als er es nicht mehr aushielt, machte Siri sich los und suchte in seiner Umhängetasche nach Bleistift und Papier. Auf der Rückseite eines alten Briefumschlages notierte er aus dem Gedächtnis einige Angaben aus seinem Obduktionsbericht. Er drückte Bounheng das Stück Papier in die Hand.
    »Junge. Hier haben Sie den Namen des Fischers und seines Heimatdorfes.
    Ich glaube, dort gibt es einen kleinen Altar. Viel eicht hilft es Ihnen, wenn Sie hinfahren und mit dem Toten sprechen.«
    Siri ging langsam übers Feld zurück zur Straße. Schritt für Schritt schien ihm der Boden der Realität unter den Füßen wegzugleiten. Was soeben geschehen war, ließ sich mit gesundem Menschenverstand nicht erklären.
    Sein altes Herz fing an zu zucken wie ein im Netz zappelnder Wels. Irgendwie hatte er es gewusst. Irgendwie hatte der Besuch des Fischers es ihm verraten. Doch wo war die Logik dahinter? Gab es eine logische Erklärung?
    Er verspürte keine diebische Freude, keinen Stolz über seine Heldentat. Er bewegte sich auf einem schmalen Grat zwischen Angst und Erregung, zwischen Macht und Ohnmacht, zwischen Vernunft und … Er mochte nicht darüber nachdenken, was mit ihm vor sich ging.
    Zwei, drei Songtheos fuhren auf dem Rückweg in die Stadt an ihm vorbei. Mit heiserem Hupen flehten sie ihn an, doch einzusteigen, aber er beachtete sie nicht. Er setzte sich unter einen Jackfruchtbaum und ließ das Zusammentreffen Revue passieren. Immer und immer wieder. Doch die erhoffte Erklärung fand er nicht.
    »Ach, dass man Sie auch mal wieder sieht. Wir dachten schon, Sie wären an Altersschwäche gestorben.«
    Herr Geung lachte und wiederholte Dtuis scherzhafte Bemerkung.
    »Wir, äh… äh… äh… dachten

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