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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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sie sich im Norden zugezogen hatte.
    Dtui fasste den Doktor am Arm und führte ihn nach draußen. Unbehoste Kleinkinder tobten und tol ten im Staub umher. Ein Hund begann instinktiv zu knurren, als er Siri erblickte. Dtui ging mit ihm zur Stadionmauer, wo die Nachbarn sie nicht belauschen konnten. Siri hatte sich eine Entschuldigung zurechtgelegt, aber sie kam ihm zuvor.
    »Es tut mir leid, Doc. Ich habe die ganze Nacht an Mamas Bett gesessen. Ich wol te Sie nicht so anfahren, aber…«
    »Ich bin nur vorbeigekommen, um Sie zu fragen, ob Sie mir die Ehre erweisen würden, bei mir in die Lehre zu gehen.«
    »Äh, nein. Das sagen Sie nur, weil ich an die Decke gegangen bin. Sie brauchen sich nicht…«
    »Das ist mein Ernst. Der Gedanke kam mir, kurz bevor ich mit Ihrem Fahrrad gegen die Mauer des Präsidentenpalasts gerast bin.«
    »Sie… ?«
    »Sie sol ten die Bremsen mal nachsehen lassen.«
    »So langsam, wie ich fahre, brauche ich normalerweise keine Bremse. Und Sie sind wirklich… ?«
    »Von der That Luang Road geht es die ganze Strecke bergab, und ich habe natürlich nicht daran gedacht, die Bremsen zu überprüfen, bevor ich losgefahren bin. Ich bin mitten durch das Anusawari-Tor und dann mit circa 120 Stundenkilometern am Postamt vorbeigebraust. Es ging al es ziemlich schnel .«

    »Doktor.«
    »Zugegeben, den Präsidentenpalast habe ich um Haaresbreite verfehlt. Aber das verdanke ich einzig und al ein dem armen Mann, der am Straßenrand Besen und Bürsten verkaufte. Er machte mir einen etwas weicheren Eindruck als die Mauer. Zum Glück ist die Sache für uns beide glimpflich ausgegangen: Ich habe mir nichts gebrochen, und er hat der Pathologie drei Besen verkauft.«
    »Und das Fahrrad?«
    »Die Chinesen können zwar keine ordentlichen Schuhe herstel en, aber ihre Fahrräder würden selbst einen Bombenangriff überstehen. Also, wol en Sie?«
    »Was?«
    »Bei mir in die Lehre gehen.«
    »Worauf Sie Gift nehmen können.«
    »Gut. Bevor ich gehe, möchte ich aber noch rasch einen Blick auf Ihre Mutter werfen.«
    »Haben Sie es etwa auf sie abgesehen?«
    »Nur auf ihre Zirrhose, Mädchen. Nur auf ihre Zirrhose.«
    Am Mittwoch war Siri wiederum als Erster bei der Arbeit. Als wäre Geung noch nicht verwirrt genug gewesen, fand er seinen Chef auf al en vieren in der Aschewanne des Verbrennungsofens krauchend, wo er tote Kakerlaken einsammelte.
    »Morgen, Herr Geung. Irgendwelche Kundschaft heute?«
    »Nein, heute keine Kundschaft, Dr. Genosse.« Geung lachte zwar, blieb aber stehen und sah Siri zu. »Das… das ist schmutzig. Da spielt man nicht.«
    »Ganz recht, Herr Geung. Hier stel en Sie den Abfal hin, bevor er in den Ofen wandert, nicht?«
    »Ja.«
    »Der Hausmeister ist anscheinend nicht da. Wissen Sie zufäl ig, ob er gestern unseren Mül verbrannt hat?«

    »Er muss. Er muss. Das ist Vorschrift. Er muss sämtliche Klinikabfäl e spätestens zwölf Stunden nach Anlieferung vernichtet haben. Er muss.«
    »Zwölf Stunden. Was wir am Montagabend weggeworfen haben, hat also über Nacht hier gestanden?«
    »Ja.«
    »Gut. Bitte seien Sie doch so nett und stel en unsere kleinen Freunde hier in den Kühlschrank, während ich mich frischmache.«
    »Ha. Kleine Freunde.« Geung lachte und trug das Glas, in das Siri die Kakerlaken gefül t hatte, hinein.
    Siri duschte, zog sich um und verließ wie schon am Vortag gegen zehn das Labor, ohne seinen Untergebenen zu sagen, wohin.
    Er überquerte die Straße vor der Klinik und holte bei Tante Lah sein Mittagessen ab. Nach Dtuis Bemerkungen vom Montag konnte er nicht umhin, einen Hauch von Schamesröte auf Lahs Wangen festzustel en. Einen Augenblick lang war er überzeugt, dass viel eicht doch etwas daran war. Sie betrieben ein paar Minuten höfliche Konversation, und dann sagte er
    »Wohlsein« und ging weiter.
    »Zur Klinik geht es da lang, Bruder Siri«, rief sie ihm nach.
    »Ich schwänze. Aber schwärzen sie mich nicht beim Direktor an.«
    »Viel eicht sol ten wir mal zusammen schwänzen.«
    Er lachte.
    Sie lachte.
    Es war etwas daran.
    Er ging am Fluss entlang und bog in eine ungeteerte Seitenstraße. Die Laotische Frauenunion residierte in einem zweistöckigen Gebäude, in dessen Vorgarten blühende Sträucher wucherten. Der Wildwuchs sol te natürlich wirken, verdankte sich in Wahrheit jedoch kunstvol er Gestaltung. Das Unionsschild war frisch übermalt. Unter einem Buchstaben hatte sich eine triefende Farbnase gebildet.
    Er betrat die belebte Eingangshal e, in der al

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