Colin Cotterill
sonst.
»Irgendwie ha… ha… hat der Genosse Doktor heute einen Knal .«
4
TRAN DER ÄLTERE
Trotz al der Aufregung war heute komischerweise erst Donnerstag. Siri kam erholt und strotzend vor frischer Energie zur Arbeit. Wieder war er der Erste.
Er schloss die Tür auf und öffnete die Fenster, worauf die Kakerlaken eilig das Weite suchten.
Bevor er sich in das große Telefonabenteuer stürzte, stattete er dem Gast in Raum eins eine Visite ab. Er bot keinen schönen Anblick. Die aufgedunsene Haut hatte sich verschoben, als sei sie abgezogen und dann hastig wieder übergestreift worden. Sie wurde al mählich wächsern und braun, was darauf hindeutete, dass die Leiche zwei bis drei Wochen im Wasser gelegen hatte.
Siri schlug das Tuch zurück und entdeckte ein dickes Knäuel aus Plastikschnur, die mehrmals um das linke Fußgelenk geschlungen war. Die Fessel war so eng, dass sie die Haut vol ständig durchgescheuert hatte.
Zudem hatte sich das Blut auf der Körperrückseite und in den Beinen gesammelt. Hätte der Mann seit seinem Ableben im Wasser getrieben, hätte sich die Hypostase eigentlich an der Körpervorderseite ausbilden müssen.
Aber dort war nichts dergleichen zu entdecken.
Nachdem er sich al das eingeprägt hatte, deckte er den Leichnam wieder zu und machte sich auf die Suche nach einem Experten, der ihm das Wunder der Fernmeldetechnik erklären konnte.
Das hübsche Mädchen in der Registratur drehte sich um, als er hereinkam.
»Ich muss mit dem Justizministerium telefonieren.«
»Der Apparat steht auf dem Tisch hinter Ihnen, Doktor. Bitte tragen Sie Ihren Namen, die Nummer des Teilnehmers und die Gesprächsdauer in das Buch ein.«
Sie wandte sich wieder dem Aktenschrank zu. Siri stand ein wenig beklommen da und traute sich nicht, das Telefon in Augenschein zu nehmen.
Sie warf einen Blick über die Schulter und sah, dass er sich nicht vom Fleck gerührt hatte.
»Ich dachte, Sie könnten das für mich erledigen«, sagte er leise.
»Was?«
»Das Telefongespräch.«
»Nein. Das ist ein ganz normales Telefon. Sie brauchen das Gespräch nicht anzumelden.«
Er wandte sich um, fasste den bedrohlichen, schwarzen Apparat ins Auge und ging zögernd darauf zu. Die Ziffern starrten ihm aus den Löchern der Wählscheibe, entgegen. Nachdem er es eine Weile ehrfürchtig betrachtet hatte, nahm er vorsichtig den Hörer ab. Er hielt ihn sich ans Ohr und lauschte dem warmen Summton.
»Hal o?«
Keine Antwort.
»Sie haben doch schon mal telefoniert?« Sie ließ ihre Akten Akten sein und trat hinter ihn. Der Moment der Wahrheit war gekommen. Er gestand.
»Nein.«
»Doktor?«
Es war in der Tat kaum zu glauben, dass Siri in seinen zweiundsiebzig Lebensjahren noch nie ein Telefon benutzt hatte. Aber in Laos waren Telefone al es andere als eine Selbstverständlichkeit. Im ganzen Land gab es kaum neunhundert Apparate, und davon standen die meisten in Amtsstuben und Büros. Selbst in Hochzeiten der Korruption hatten nur die Reichsten der Reichen einen eigenen Telefonanschluss besessen.
Als armer Student in Frankreich hatte er sich ein Telefon nicht leisten können, und wen hätte er auch anrufen sol en? Aber schon damals hatten ihm die Dinger eine Heidenangst gemacht. Insofern verwunderte es kaum, dass Siri, der ein Gutteil seines Lebens im Dschungel verbracht hatte, mit der Funktionsweise dieses furchteinflößenden Gerätes nur unzureichend vertraut war.
»Ich habe schon mal in ein Feldtelefon gesprochen, aber da hat ein Techniker die Kurbel für mich gedreht.« Er lächelte.
Das Mädchen hatte offenbar eine mütterliche Ader, denn sie bekam angesichts des hilflosen alten Herrn tatsächlich feuchte Augen. Sie nahm ihm den Hörer aus der Hand und erwiderte sein Lächeln. »Wie lautet die Nummer?«
»Welche Nummer?«
Sie blätterte eine Weile in dem äußerst dünnen Telefonbuch, und als sie das Justizministerium schließlich gefunden hatte, zeigte sie ihm, wie man die Wählscheibe bediente. Letztlich war al es furchtbar einfach.
Wie erhofft war Richter Haeng bei Gericht, wo er in einem Scheidungsfal den Vorsitz führte. In seinen Akten stapelten sich Vaterschaftsklagen und Familienstreitigkeiten, aber nichts, was man ernsthaft als Verbrechen hätte bezeichnen können. Haengs Sekretärin Manivone erklärte Siri, der Richter sei außer sich vor Wut und wünsche den Obduktionsbericht noch heute Nachmittag bei seiner Rückkehr vom Gericht auf seinem Schreibtisch vorzufinden.
Siri erkundigte sich nach
Weitere Kostenlose Bücher