Colin Cotterill
Ordnung. Während Dtui und Geung die Leiche zunähten, betrachtete Siri die Hautproben unter dem Mikroskop.
»Dtui, kommen Sie doch mal eben her, und schauen Sie sich das an.« Sie eilte zum Arbeitstisch und spähte durch das Okular. »Was sehen Sie?«
»Ähhh, grün? Kleine glänzende Teilchen?« Sie verschob das Präparat ein wenig. »Schwarz? Noch mehr glänzende Teilchen? Sehr hübsch. Was ist das?«
»Ein Stück Haut aus dem verbrannten Bereich rings um die Brustwarze. Das Grüne könnte Kupfer sein. Die glänzenden Teilchen sind wahrscheinlich Metal spuren.«
»Das heißt?«
»Ich muss zwar noch ein paar Tests im Lycée durchführen, aber ich würde sagen, es handelt sich um Strommarken.«
»Was?«
»Strommarken. Elektrische Verbrennungen. An Brustwarzen und Hoden. Was sagt Ihnen das?«
»Autsch.«
Er lachte. »Und wenn Sie Ihre kombinatorischen Fähigkeiten ein wenig spielen lassen?«
Dtui dachte ein paar Sekunden nach. »Folter?«
»Genau danach sieht es aus. Man verbrennt sich nicht aus Versehen an Brustwarzen und Genitalien. Ich wüsste keine andere Erklärung.«
»Dann wurde er also gefoltert, an einen Stein gebunden und in den Stausee geworfen. Der Bursche muss ja ziemlich beliebt gewesen sein. Meinen Sie, die Folter war tödlich?«
»Soweit ich sehe, deutet eigentlich nichts darauf hin. Die Blutansammlung in der Brusthöhle könnte unter Umständen damit zu tun haben, aber das bezweifle ich. Ich werde die Nase noch mal in meine Lehrbücher stecken.
Wol en Sie den Bericht schreiben?«
»Ich?«
»Warum nicht? Sie haben genug gesehen. Aber diesmal bitte so groß, dass ich es auch lesen kann.«
»Sol ich ihn tippen?«
»Sie können tippen?«
Geung lachte. »Sie k… k… kann eine ganze Menge.«
»Den Eindruck habe ich auch. Aber brauchen Sie dazu nicht eine Schreibmaschine?«
»Im Zweifelsfal e ja. Aber in der Verwaltung steht eine, auf der ich hin und wieder üben darf.«
Siri schüttelte ungläubig den Kopf. »Wissen Sie, was? Ich glaube, es war sehr klug von mir, Sie zu meinem Lehrling zu ernennen. Weiß zufäl ig jemand, wer der Bursche war, der vorhin hier hereingeplatzt ist und uns angebrül t hat?«
»Nein.«
»Nein.«
Der säuberlich getippte, fehlerfreie Bericht lag eine Stunde, bevor er von der Verhandlung häuslicher Zwistigkeiten zurückkehrte, auf Richter Haengs Schreibtisch. Die Leiche lag wieder in der Kühlkammer, und im Sektionssaal war al es picobel o und blitzblank. Nachdem Siri ihr hoch und heilig versprochen hatte, um Mauern und Besenverkäufer einen großen Bogen zu machen, borgte Dtui ihm ihr Fahrrad. Er strampelte schnurstracks zum Lycee.
Lehrerin Oum hatte Unterricht, und so setzte er sich in den Innenhof und erfreute sich an den Stimmen der bekehrten Romanisten, Anglisten und Althistoriker, die in den Klassenzimmern ringsum Russisch, neuere Geschichte und politische Ideologie unterrichteten. Sie verlasen die entsprechenden Broschüren des Bildungsministeriums, und die Schüler schrieben eifrig al es mit. Fragen wurden nicht gestel t, vermutlich weil die Lehrer sie ohnehin nicht hätten beantworten können. Doch abgesehen von diesen wenigen Ergänzungen und Kürzungen des Lehrplans hatte sich das Leben der in der Hauptstadt verbliebenen Lehrer und Schüler nicht wesentlich verändert.
Der Übergang von einem »bastardisierten Abklatsch Amerikas«, wie es der Präsident zu nennen pflegte, zu einem marxistisch-leninistischen Staat war ruhig und ohne größere Zwischenfäl e verlaufen. Die aus der Laotischen Patriotischen Front hervorgegangene Laotische Revolutionäre Volkspartei hatte die Saat der Rebel ion lange vor Dezember ’75 ausgebracht. In den Dörfern warteten ihre Sympathisanten darauf, die neue Politik in die Tat umzusetzen. Die Pathet Lao hatten Sitze im Parlament und ein - nur einen Steinwurf von der US-Botschaft entfernt gelegenes - Parteibüro.
In al en größeren Betrieben standen geheime Gewerkschaften bereit, um auf Kommando die Arbeit niederzulegen, und als dieses Kommando schließlich kam, gab es bei Polizei und Militär so gut wie keine Vorgesetzten mehr, die eine Niederschlagung des Aufstandes hätten befehlen können. Die meisten ranghohen Beamten waren über den Mekong gefahren oder geschwommen und hatten in den Flüchtlingslagern entlang der Grenze Unterschlupf gesucht.
Die Einwohner von Vientiane interessierte das al es wenig. Sie hatten die Zeit des Dol arrauschs, der Korruption und Sittenlosigkeit noch nicht vergessen.
Wer
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