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Colin Cotterill

Titel: Colin Cotterill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Siri und seine Toten
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damals reich geworden war, teilte seinen unrechtmäßig erworbenen Besitz nicht mit dem gemeinen Volk. Vor den Amerikanern waren es die Franzosen gewesen, und für die galt die Devise: Je weniger Worte man über sie verlor, desto besser.
    Nein, die meisten Laoten, die nach der Machtübernahme in der Hauptstadt geblieben waren, unterstützten die neue Regierung. Man war sich einig, dass sie es kaum schlechter machen konnte als ihre Vorgänger, und das laotische Volk hatte es gründlich satt, in einer fremdbeherrschten Kolonie zu leben.
    Wenn das Land schon heruntergewirtschaftet wurde, dann doch wenigstens von den eigenen Leuten.
    Kaum hatte die Klingel den Schulschluss eingeläutet, begann eine ebenso glückliche wie ausgelassene Flucht. Die Teenager, die Siri entgegenkamen, legten die Handflächen aneinander und grüßten ihn mit einem höflichen Nop.
    Bis sie sich an die Gesichter des neuen Regimes gewöhnt hatten, empfahl es sich, jeden über Fünfzigjährigen zu grüßen.
    Lehrerin Oum blickte von ihren Chemieunterlagen auf. »Nanu. Zweimal in einer Woche. Sie haben anscheinend reichlich zu tun.«
    »Ich glaube, Buddha stel t mich auf die Probe, um zu prüfen, ob auch ich ihn verlassen habe.«
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Verzeihung, Oum. Aber könnten wir den Zyanidtest eventuel wiederholen?«

    »Womit?« Er zog das Fläschchen mit den Kopfschmerztabletten aus der Tasche. »Ich hoffe, wir finden hier drin noch ein paar Spuren. Aber ich glaube, die Tabletten selbst sind schnödes Aspirin. Und dann wären da noch die hier.« Er holte ein kleines Glas hervor, in dem zwei tote Kakerlaken lagen.
    Sie lachte. »Führen Sie neuerdings Mordermittlungen in der Insektenszene durch? Sie wissen, dass von den nötigen Chemikalien kaum noch etwas übrig ist?«
    »Hoffen wir das Beste.«
    Ihre Hoffnung wurde nicht enttäuscht.
    5
    DER HÜHNERZÄHLER
    Am Freitagmorgen löste sich das Rätsel des Mannes mit der lauten Stimme von selbst. Siri und seine Mitarbeiter vernähten gerade eine alte Frau, die Chlorbleiche getrunken hatte, damit ihre Familie sie nicht mehr zu pflegen brauchte. Da dies auf einer Kliniktoilette geschehen war, musste die Leiche obduziert werden.
    Plötzlich erschien Klinikdirektor Suk in der Tür und zitierte Siri in dessen Büro.
    Dort stand der Schreihals, mit vor der Brust verschränkten Armen. Wie Richter Haeng gehörte der Direktor zu jener Sorte von Beamten, denen man in zu jungen Jahren zu viel Autorität verliehen hatte, die geltend zu machen er sich nun berufen fühlte. Auch er empfand Siris respektloses Verhalten als bedrohlich.
    »Siri, das ist Herr Ketkaew.« Siri streckte die Hand aus, doch der Mann verschmähte sie. »Ich nehme an, Sie haben den Neubau hinter dem Klinikgebäude schon bemerkt?«
    »Nein.« Wozu hätte er sich auch hinter der Pathologie herumtreiben sol en, befand sich dort doch nichts weiter als ein leeres Grundstück?
    »Dann schlage ich vor, Sie kommen mit und schauen es sich an.«
    Zu dritt marschierten sie um die Pathologie herum und standen vor einer kleinen Bambushütte, in der sich ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Aktenschrank und eine Tafel drängten. Über der Tür hing ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift BEVOLLMÄCHTIGTER DER KHON KHOUAY.
    Die Khon Khouay waren die - von den Einheimischen liebevol
    »Hühnerzähler« genannten - Nachbarschaftsspione. Ihre Aufgabe war es, Verschwendungssucht und Überfluss einen Riegel vorzuschieben.
    Normalerweise handelte es sich um zwangsrekrutierte Teilzeitkräfte, die sich nur widerwil ig in ihre neue Rol e fügten. Dass Herr Ketkaew ein separates Büro mit Schild sein Eigen nannte, ließ darauf schließen, dass er seine Arbeit ernst nahm.
    »Herr Ketkaew ist dem Bereich 18 zugewiesen worden. Da die Klinik den Mittelpunkt dieses Bereiches bildet, haben wir die Ehre, ihn sozusagen unter unserem Dach beherbergen zu dürfen.« Suks Tonfal nach zu urteilen handelte es sich um eine höchst zweifelhafte »Ehre«. Die finanziel nicht eben üppig ausgestattete Klinik kam so schon kaum über die Runden. Da konnte sie auf einen Hühnerzähler gut verzichten, noch dazu auf ein so pflichtbesessenes Exemplar wie dieses.
    Ketkaew meldete sich zu Wort. Leider hatte er keinen Lautstärkeregler.
    »Wenn Sie weiter diesen unerträglichen Gestank verbreiten, passiert etwas.
    Verstanden?«
    Siri wusste nicht recht, wie er reagieren sol te. Er kannte sie zur Genüge, diese kleinen, übereifrigen Paragrafenreiter, die erstmals aus dem

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