Colin Cotterill
der Tür.
»Claudette. Claudette Colbert.«
»Klingt ausländisch.«
»Sehen Sie? Das ist echte Detektivarbeit. Ein normaler Mensch hätte so etwas niemals bemerkt.« Phosy kam zum Schreibtisch, und sie tauschten einen herzlichen Händedruck. »Womit vertreibt sich ein Polizist in einer Stadt ohne Kriminalität eigentlich die Zeit?«
»Mit vielen interessanten Sitzungen und politischen Seminaren. Genau genommen gibt es nur einen Fal , der mir ernsthaftes Kopfzerbrechen bereitet, und das ist Ihre Freundin Frau Nitnoy.«
Siri legte einen Finger auf die Lippen und deutete mit einem Nicken zum offenen Fenster. »Ich wol te gerade einen Spaziergang machen. Möchten Sie mitkommen?«
»Gern.«
Siri packte al es, was er für die Reise brauchen würde, in seine Tasche und ging mit Phosy zum Fluss hinunter.
Vor dem Lane Xang Hotel gab es eine provisorische Freiluftbar, die auch schon bessere Tage gesehen hatte. Die Leute hatten nicht das Geld, um im großen Stil zu schlemmen. An diesem kleinen Bambusstand war eigentlich nur bei Einbruch der Dunkelheit etwas los. Dann kamen die Touristen, die Regierungsberater und Parteileute, um den Sonnenuntergang zu genießen.
Die Einheimischen gönnten sich einmal im Monat eine Limonade, an der sie sich dann den ganzen Abend festhielten.
Da es weder Wände noch Regeln gab, konnten die Gäste die klapprigen Tische nach Belieben umstel en, damit sie freie Sicht auf die sinkende Sonne hatten. Phosy und Siri trugen ihre Stühle zum Wasser hinunter, und die Barmama schleppte ihnen den Tisch ächzend hinterdrein. Sie war sichtlich erfreut, als sie eine halbe Flasche Saeng Thip Thai-Rum und Wachteleier bestel ten. Siri hatte schließlich nicht umsonst dreitausend Kip in der Tasche.
»Sie wol ten mit mir wahrscheinlich gar nicht über Frau Nitnoy sprechen«, sagte Siri nach einer Weile. »Aber der klinikeigene Hühnerzähler campiert neuerdings gleich hinter der Pathologie. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass jedes unserer Worte belauscht und aufgezeichnet wird. Oder irre ich mich?
Und Sie wol ten doch über Frau Nitnoy sprechen, stimmt’s?«
»Ja. Sind Sie sicher, dass wir den Fröschen dort unten trauen können?«
Siri lachte. »Ich hätte nie gedacht, dass es einmal so weit kommt. Ich weiß, es gibt keinen staatlichen Kontrol - und Spionageapparat. Ich weiß, wir bilden uns das al es nur ein, aber man sol te die Gefahr der Einbildung nicht unter schätzen.«
Die Barmama kam im Laufschritt ans Ufer herunter. Auf ihrem Tablett befanden sich der Rum, Trinkwasser, gefleckte kleine Eier und, Wunder über Wunder, Eis. Sie starrten es an, als sei es soeben mit dem Raumschiff von einem fernen Planeten gekommen.
»Wo haben Sie das her, Mutter?«
Sie senkte die Stimme, fal s Polizisten in der Nähe waren.
»Ich habe da drüben Freunde in der Küche.« Sie deutete mit einem Nicken zu der ebenso kargen wie geschmacklosen Fassade des teuersten Hotels des Landes. Obwohl die Herberge nach internationalen Maßstäben schwerlich einen Stern ergattert hätte, war das Lane Xang der Stolz der Kapitale. Zwar war es völ ig überteuert, und das Personal war offensichtlich bei Mack Sennett in die Lehre gegangen, aber wenigstens konnte man Ausländer dort unterbringen.
»Ihre Freunde könnten uns wohl nicht zufäl ig ein paar leckere Steaks besorgen?«, fragte Phosy.
»Die müssten Sie dann al erdings roh essen. Sie würden sich wundern, wenn Sie wüssten, was es da drüben in der Küche al es gibt. Da fragt man sich doch, wo die Leute das Geld dafür hernehmen. Wein und so, ich bitte Sie.
Wein!«
»Skandalös.«
»Rufen Sie, wenn Sie mich brauchen.« Sie watschelte die Uferböschung wieder hinauf.
Sie schenkten sich ein und sparten nicht mit Eis, solange der Vorrat reichte.
»Also. Frau Nitnoy?«
»Wie Sie sich sicher denken können, war es nicht ganz leicht. Ich konnte ja wohl schlecht losziehen und aufs Geratewohl Leute ausquetschen. Aber wenn man Gerüchten und Hörensagen - und daran herrscht weiß Gott kein Mangel
-Glauben schenken wil , deutet al es darauf hin, dass Ihr Genosse eine Zweitfrau hat.«
»Hmm. Das klassische Model .«
»Sie heißt Mai und arbeitet als Friseuse in einem Salon in Dong Mieng. Sie kommt aus Xam Neua und ist erst Anfang des Jahres in diese Gegend gezogen.«
»Meinen Sie, sie ist ihm hierher gefolgt?«
»Sieht ganz so aus. Sie ist zwar noch ein junges Ding, gerade mal einundzwanzig. Aber nach al em, was die Mädchen im Salon mir über sie…«
»Sie waren
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